Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
Verurteilter als Gladiator
bewähren und begnadigt werden.“
Randori nickte nachdenklich. „Ein
recht weit hergeholter Vergleich. Aber ich bin gerne bereit, Ihren Wünschen zu
entsprechen, wenn Sie das unter einem Gottesurteil verstehen. Lassen Sie
mich nachschauen ... statistisch betrachtet musste ein Gladiator vier Jahre
lang in der Arena dienen, bevor er getötet oder – in sehr wenigen Fällen –
freigelassen wurde. Ich mache Ihnen das Angebot, sich für die nächsten vier
Jahre im öffentlichen Dojo aufzuhalten und jedem Fechter, Ninja, Stockkämpfer
und so weiter zur Verfügung zu stehen, der sich dort abreagieren will. Falls
Sie überleben, spreche ich Sie hiermit frei.“ Randori lächelte sonnig.
Ihr Vorschlag schien Janus für
einen Moment die Sprache zu verschlagen. Aber es war nicht zu erwarten, dass er
ohne Rückzugsgefecht aufgab. Randori zählte im Geiste ’eins, zwei, drei, vier
...’, da erwachte er auch schon aus seiner Erstarrung.
„Ich appelliere an das Gewissen aller
Anwesenden, mir Gerechtigkeit zu verschaffen.“ Er wandte sich von Randori ab
und betrachtete nacheinander die RomSenatoren mit kaum versteckter Drohung. Sein
dunkles Charisma ließ einge von ihnen sichtbar in sich zusammenkriechen. „Auch
wenn ich gegen die Gesetze dieses Schiffes verstoßen habe, so erscheint es doch
maßlos und ungerecht, mir eine Hinrichtung –“
„Oh bitte“, sagte Randori am Ende
ihrer Geduld. „Sie werden ganz bestimmt nicht sterben. Sie werden fünf Wochen
lang im indischen Kalkutta um ihr Essen betteln und danach vielleicht etwas
weniger selbstherrlich sein. Und was die ‘Gerechtigkeit’ betrifft ... Ich
denke, zu diesem Thema sollte ich Ihnen eine kleine Rede halten.“ Sie sah
überlegend in die Luft und spielte mit ihrem Füller. „Wissen Sie, ein gerechtes
Urteil gibt es überhaupt nicht. Soll es vielleicht gerecht sein, jemanden zu
bestrafen, weil er durch seine Gene, seine Psyche, seine Gehirnchemie geringere
Skrupel hat als andere? Oder weil er als Kind misshandelt wurde und nun seine
Minderwertigkeitskomplexe mit sadistischen Spielchen auslöschen muss? Das ist
nicht seine Schuld.“
Sie sagte es freundlich,
verständnisvoll, und Janus wurde bei diesen Worten totenblass. Offensichtlich
hatte sie nach der Studie seiner Krankenakte genau ins Schwarze getroffen.
Randori fuhr fort: „Es ist nicht
seine Schuld, aber es ist auch nicht wirklich die Aufgabe der Justiz, Schuld
abzuwiegen. Unser Amt ist es, die Wehrlosen zu schützen, indem wir zum Beispiel
einen unheilbaren Serienkiller für den Rest seines Lebens in den Strom sperren.
Und wenn er sich darin ein Paradies einrichtet, dann freut mich das für ihn.
Ich habe nicht das Bedürfnis, das ‘Böse’ mit sinnlosen Strafen zu verfolgen …
Aber ich habe die Verpflichtung, den Opfern die Rache zu geben, die sie
brauchen, um ihr Leben wieder in den Griff zu kriegen. Und ich habe auch eine
Verpflichtung den Tätern gegenüber. Denn sehen Sie, vielleicht gibt es ja doch
so etwas wie einen freien Willen. Vielleicht gibt es so altmodische Dinge wie
Sühne und Reue und den Willen, sein Leben zu ändern ... Das war es, was ich
Ihnen sagen wollte. – Sie können jetzt gehen, Janus.“ Sie sah ihn ruhig an,
während seine Augen schmal wurden und reiner Hass die glatte Schönheit seiner
Züge verzerrte. „Gildenmeister Newton, bitte bringen Sie den Angeklagten in die
Sicherheitsverwahrung.“
„Mit Vergnügen.“ Der Designer
erhob sich schwerfällig und griff nach der Fernbedienung, die vor dem Kaiser
der Caesaren auf dem Tisch lag. Niemand von den Senatoren protestierte.
Janus ging von selbst auf die Tür
zu, bevor er dazu gezwungen wurde. Als er den Raum schon fast verlassen hatte,
drehte er sich noch einmal um und sagte sachlich: „Sie sollten mich nicht
unterschätzen.“ Seine ruhige Stimme gab ihm eine Würde, die nicht länger von
der Theatralik seiner Caesaren-Rolle verdeckt wurde. „Ich werde nicht
vergessen, dass ich fünf Wochen in der Hölle Ihrem diplomatischen Geschick zu
verdanken habe.“
„Ich hätte mir nicht die Mühe
gemacht, Ihnen eine Rede über Ethik zu halten, wenn ich Sie nicht für etwas
Außergewöhnliches halten würde.“
Er runzelte irritiert die Stirn,
dann nickte er kurz. Randori blickte ihm nachdenklich hinterher, als er mit dem
Rest der Versammlung ihre Wohnung verließ. Sie zweifelte nicht daran, dass sie
wieder von ihm hören würde.
„Ich bleibe ruhig, ich bleibe ganz
ruhig“,
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