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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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menschlich?
    Er selbst schien daran zu
zweifeln. Jedenfalls hatte er Serail noch immer nichts über seine neuen
Fähigkeiten gesagt. Aus Angst, dass Serail sich abwenden würde, wenn er erkannte,
wie anders sein Getrauter inzwischen war. Wenn man einen Anzug bleichte
und neu färbte, zerschnitt und in veränderter Form wieder zusammennähte, war es
dann immer noch derselbe Anzug? Zuerst hatte man Caravans Gedächtnis gelöscht
und ihm damit seine frühere Persönlichkeit geraubt. Jetzt wurde deutlich, dass
er nicht einmal mehr seinen Originalkörper besaß. Was war eigentlich noch übrig
von dem Mann, den Serail gekannt und geheiratet hatte?
    Randori konnte gut verstehen, dass
Caravan nicht vorhatte, seinen Getrauten einzuweihen. Genauso wenig, wie sie vorhatte, Seiner Majestät Lazarus etwas über diese unheimlichen Selbstheilungskräfte
zu erzählen. Caravan war ausschließlich ihre Angelegenheit. Sie war die
Herrscherin des Schiffes, und der Ex-Kapitän konnte sich seine neugierigen
Fragen sonstwohin stecken.
    Mit einem verbindlichen Lächeln
sagte Randori: „Natürlich ist es auffällig, dass Caravan gleich bei seinem
ersten Ausflug in eine Schießerei gerät, aber ich würde daraus keine weitreichende
Schlüsse ziehen. Eine viel wichtigere Frage ist, wo der Amo seine Waffe herbekommen
hat ...“
    Diesmal war es Lazarus, der
überrascht aussah. Er wirkte geradezu bestürzt, registrierte Randori, und
genoss es, ihn endlich einmal wieder aus seiner überlegenen Ruhe geschüttelt zu
haben.
    „Ich dachte, das sei eindeutig?“,
fragte er. „Der Mann hat eine Polizeipistole benutzt. An Bord gibt es sonst
keine Schusswaffen. Er muss sie gestohlen haben.“
    Randori lächelte zufrieden. Sie hatte
ihren politischen Rivalen erfolgreich von Caravan abgelenkt und noch dazu mit
ihrem Wissen gepunktet. „Nein, die Mündungsweite war ein bisschen anders als
bei einer Polizeiwaffe. Kaum merklich, aber im Labor der Spurensicherung doch
erkennbar. Das bedeutet, es war eine Einzelanfertigung, ein Designermodell speziell
für den Täter.“
    Lazarus Augen wurden schmal. Wenn
sich ein Designer für Mord einspannen ließ, war das ein unglaublicher, nie
vorgekommener Bruch der Gildengesetze. Es war kein Wunder, dass der Ex-Kapitän
aussah, als würde er am liebsten jemanden mit seinem Degen skalpieren.
    Vielleicht war er aber auch nur
verärgert, weil sie diesmal eher Bescheid wusste als er. Wer konnte schon
ahnen, was Lazarus dachte? Jedenfalls verschwand sein Ärger schnell wieder
hinter einer ausdruckslosen Miene. „Gut, das erscheint logisch. Die Recycler
haben keine Schusswaffen in ihrem Programm. Wenn plötzlich eine unbekannte
Pistole auftaucht, muss sie also extra von einem Designer geschaffen worden
sein. Anscheinend haben wir ein ernstes Problem.“
    Randori fragte sich, was das ‘wir’
heißen sollte. Aber sie sagte nichts dazu, sondern nickte zustimmend. „Wäre es
ein spontaner Amok gewesen, hätte der Mann eine der üblichen Waffen aus dem
Haushaltfundus benutzt. Ich hatte bisher noch keine Zeit, mich näher mit den
Opfern zu beschäftigen. Vielleicht gibt es eine gemeinsame Verbindung zwischen
ihnen.“
    „Alle waren Crew“, ließ sich
Caravan beiläufig über seine Teetasse hinweg vernehmen. Als sämtliche Köpfe zu
ihm herumfuhren, setzte er hinzu: „Huh, habe ich etwas Falsches gesagt?“
    „Woher willst du wissen, dass sie
Crew waren?“, bohrte Lazarus nach.
    Caravan zuckte etwas unsicher mit
den Schultern. „Ich habe die Leute beobachtet, die auf die Insel gekommen sind.
Ihre Körpersprache. Crew bewegen sich anders. Die Passagiere sind daran
gewöhnt, im Gedränge mit möglichst wenig Raum auszukommen. Sie halten die Arme
am Körper, weichen Zusammenstößen aus. Aber Crew benehmen sich, als würde ihnen
das Schiff ganz allein gehören. Sie achten nie darauf, wohin sie ihre Füße
setzen, und beim Reden gestikulieren sie wild. Ein Matrose in einer engen
Straße ist wie Nussjoghurt im Strohhalm. Ich habe heute den ganzen Tag geübt,
ein normaler Crew zu sein und mich genauso rücksichtslos zu benehmen, und ich
glaube, ich werde langsam ziemlich gut darin.“
    Serail runzelte die Stirn. „Du
solltest nicht so über die Crew sprechen.“
    „Jedenfalls“, sagte Lazarus und
wischte die letzte Bemerkung beiseite, „wissen wir jetzt, dass sich der Mörder
seine Opfer tatsächlich gezielt ausgesucht hat. Sechs Crew wurden getötet ...“
    Er hatte seine Rednerstimme
eingeschaltet, die auf einen längeren

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