Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
Vom Netzwerk:
Monolog hindeutete. Randori lehnte sich
zurück und tat, als würde sie seinem Vortrag zuhören, aber eigentlich ging ihr
im Moment etwas ganz anderes durch den Kopf. Caravans Beobachtungsgabe war bemerkenswert.
Er hatte die Crew und die Passagiere mit seinem typisch kühlen Blick studiert,
dem keine Kleinigkeit entging, und sofort den Finger auf die Wunde gelegt. Das
Zweiklassensystem war im Laufe der Zeit zu einer Karikatur verkommen. Die Crew
waren einmal eine Führungsschicht gewesen, nun bestanden sie fast nur noch aus
Schmarotzern.
    Zwar war Randori selbst stolz auf
ihren Status und hatte keine Skrupel, den Passagieren Befehle zu erteilen. Das
war ihr Geburtsrecht, und für diese Aufgabe war sie ausgebildet worden. Aber
sie missbrauchte ihre Macht nicht, musste ihre Überlegenheit nicht ständig
demonstrieren. Viele Crew dagegen behandelten die Passagiere wie Untermenschen.
    Vor allem die Matrosenkaste hatte
ihren Daseinszweck schon lange verloren. Als der Flug zur Routine wurde,
brauchte man immer weniger Schiffspersonal. Eigentlich hatten inzwischen nur
noch die Offiziere eine wirkliche Funktion. Trotzdem hatten sämtliche Crew ihre
Privilegien behalten und vererbten sie an ihre Nachkommen. Die vielen
überflüssigen Matrosen plusterten ihr Ego auf, indem sie die niedere Klasse mit
Verachtung behandelten. Es war kein Wunder, wenn in den Städten die Unzufriedenheit
wuchs.
    Caravan schien das zu verstehen.
Dennoch hatte er offenbar kein Problem damit, sich so rücksichtslos wie die
anderen seines Standes zu verhalten. Seine bedenkenlose Art, sich anzupassen,
beunruhigte Randori. Manchmal fragte sie sich, wie viel von seiner Persönlichkeit
echt war ...
    Sie war schon von Berufs wegen
darin geübt, Charaktere einzuschätzen, aber Caravan schien keinen zu haben.
Nach Wochen intensiver Beobachtung hatte sie das Gefühl, so gut wie nichts über
sein wahres Ich zu wissen. Welche Konstanten gab es in seinem Verhalten? Seine
Gefühle für Serail waren real, daran bestand für sie kein Zweifel. Er war
hochintelligent und wissbegierig. Er zeigte keine Neigung, Gewalt zu genießen.
    Andererseits war sie sicher, dass
er ohne Zögern ein perfekter Berufskiller geworden wäre, wenn die Umgebung das
erwartet hätte. Seine unheimliche Fähigkeit sich anzupassen setzte eine sehr
flexible Moral voraus. Er behandelte Passagiere als niedere Wesen, obwohl er –
im Gegensatz zu den anderen Matrosen – nicht an diese Minderwertigkeit glaubte.
Er verschmolz mit seiner Umgebung. Er tat ganz einfach alles, was der
Mainstream erwartete. Er war wie ein Spiegel der Menschen um ihn herum, ohne
eigene Individualität.
    Im Grunde lief es darauf hinaus,
dass sie ihn überhaupt nicht verstand.
    Lazarus Stimme drang wieder in ihr
Bewusstsein. Er sprach von einem Serienmörder vor acht Jahren, der
ausschließlich blonde Frauen der Medizinergilde umgebracht hatte. Wollte
Lazarus behaupten, sie hätten es hier mit einem Psychopathen zu tun, der Crew
hasste? Randori runzelte die Stirn. Diese Theorie hatte Löcher wie ein Sieb und
passte überhaupt nicht zu Lazarus üblicher, scharfsinniger Art zu
argumentieren.
    Ungeduldig unterbrach sie ihn.
„Für mich ist das eher ein terroristischer Akt. Zugegeben, so etwas ist an Bord
seit über hundert Jahren nicht mehr vorgekommen. Doch immerhin war ein Designer
an der Vorbereitung beteiligt. Das scheint mir mehr zu sein als die Einzeltat
eines durchgedrehten Killers. Ich habe keine Ahnung, was dahinter steckt, aber
schließlich ist die Designergilde in letzter Zeit immer rebellischer geworden.
Und woher wusste der Mann überhaupt, wer von den Anwesenden Crew war?“
    „Dein Mitbewohner“, Lazarus machte
eine Kopfbewegung zu Caravan, „wusste das schließlich auch.“
    „Das ist etwas anderes. Hm, ich
wünschte, die Polizei wäre nicht so wild darauf, jeden Amo sofort
auszuschalten. Es wäre hilfreich gewesen, mit dem Mann reden zu können. Aber
das hat er ja erfolgreich verhindert.“
    Lazarus hob die Augenbrauen. „Du
willst behaupten, der Mörder hat sich extra erschießen lassen, damit du ihn
nicht mehr befragen kannst? Das scheint mir sehr weit hergeholt.“
    „Selbstmordattentate waren in der
irdischen Geschichte an der Tagesordnung.“
    „Ja, aber das war auf der Erde und
nicht auf der Arche. Ich bin sicher, der Mann war nur ein intelligenter
Psychopath, der einen Designer dazu erpresst hat, ihm eine Waffe zu liefern. –
Könntest du bitte mit diesem Geräusch aufhören?“
    Randori

Weitere Kostenlose Bücher