Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
es
ein Wunder, dass es der ersten Crew gelungen war, die Arche am
Auseinanderfallen zu hindern, eine technische Katastrophe nach der anderen
abzuwenden, das Schiff förmlich mit Hammer und Nagel zusammenzuhalten.
Heute schien das alles sehr weit
weg. Aber die Erinnerung an die tote Heimatwelt saß noch immer tief.
Generationen waren mit der quälenden Furcht aufgewachsen, die Menschheit sei
dazu verurteilt, alles zu zerstören, was sie berührte. Als sich nie eine zweite
Erde fand, die zur Besiedlung taugte, mischte sich in die bleierne
Hoffnungslosigkeit auch ein Gefühl von Erleichterung. Solange man sich im Exil
befand, konnte man keinen Schaden anrichten.
Doch die Sicht auf die
Vergangenheit hatte sich geändert, das konnte Randori an sich selbst
feststellen. Die Schiffsgeborenen lebten im Jetzt. Sie waren nicht bereit, die
Zukunft auf Archensee einer längst vergangenen Schuld zu opfern. Das Wort ‘Walfänger’
war inzwischen kaum mehr als ein gehässiges Schimpfwort.
Randori ließ ihre Blicke über die
Reste der Büßerprozession wandern. Genau wie sie erwartet hatte, tauchte das
Schlagwort ‘Walfänger’ auf den Plakaten recht häufig auf. Sie erinnerte sich,
dass sie diese Beleidigung schon im Hort aufgeschnappt hatte. Ihre
Geburts-Mutter hatte ihr eine Ohrfeige gegeben, als sie es benutzte. Ihre
Ehe-Mutter hatte ihr erklärt, dass man für diese Beleidigung bei den Dumas zum
Duell gefordert werden konnte. Die kleine Randori sah sich schon auf einen
Degen gespießt und hatte den Ausdruck ‘Walfänger’ nie wieder in den Mund
genommen.
Die Eremiten waren weniger
zimperlich. Ihre Plakate wetterten in deutlichen Worten gegen alle Passagiere,
die den Planeten in Besitz nehmen wollten, gegen alle Crew, die den Planeten erforschten,
und natürlich gegen die Kapitänin.
Randori spielte nachdenklich mit
dem Saum ihres Schleiers. Das Interessante daran war, dass Passagiere und Crew
hier in einen Topf geworfen wurden. Sie wurden nicht als verfeindete Klassen
betrachtet, sondern als eine Gruppe mit gemeinsamen Interessen.
Vielleicht war diese Sichtweise
die Lösung für ihre Probleme: Passagiere und Crew, die Hand in Hand für eine
neue Zukunft arbeiteten – und als gemeinsame Gegner die Eremiten, die sich
gegen die Kolonisation stemmten. Das klang nach einer perfekten Methode, den
Demokraten den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Die meisten Passagiere wollten
nur, dass die Besiedelung vorangetrieben wurde, egal von wem. Sie wollten aus
der Enge ihrer Quartiere heraus, echte Sonne auf ihrer Haut spüren, einen
blauen Himmel über sich sehen. Solange die Kapitänin dafür sorgte, dass
Archensee zügig erschlossen wurde, waren die Passagiere auf ihrer Seite. Die
Eremiten mit ihrer Protest-politik trieben ihr die aufsässigen Demokraten
direkt in die Arme. Bald würde es nicht mehr heißen: ‚Bist du Crew oder
Passagier?’, sondern ‚Bist du für die Besiedlung oder dagegen?’. Immerhin waren
bei der Prügelei schon zwei Demokraten aufeinander losgegangen. Hier eröffneten
sich völlig neue Möglichkeiten.
Es gab nur einen Haken, dachte
Randori abwägend. Wenn die Kolonialisierung weiter ins Stocken kam, würde die
Kapitänin beide Gruppen gegen sich haben. Die Eremiten würden ihr
vorwerfen, dass sie den Planeten nicht in Ruhe ließ. Die übrigen Passagiere
würden ihr vorwerfen, dass sie den Planeten nicht schnell genug eroberte.
Dieser Zwickmühle konnte sie nur entkommen, indem sie ihren Zeitplan einhielt.
Doch dazu war es unbedingt nötig, dass sie mit den Wesen in Kontakt kam, die
Caravan umgestaltet hatten. Sie hatte weitere Erkundungsteams nach Archensee geschickt
und auf eine Reaktion gehofft. Aber nichts geschah. Warum rührten sich die
verdammten Außerirdischen nicht?
Randori hatte das Gefühl, dass
sich ihre Gedanken im Kreis drehten. Sie schüttelte sich aus ihrer
Versunkenheit … und musste lachen, als sie sah, dass sie allein war. Während
sie damit beschäftigt gewesen war, über politische Strategien nachzugrübeln,
hatte sich Matrose Baskerville vor ihrem Zorn aus dem Staub gemacht. Auch
Serail war verschwunden, hatte dieses heiße Pflaster voller gewaltbereiter
Punks verlassen und war zu seiner Party gegangen. Sollte sie ihrem
ausgerissenen Kavalier zur GreifBar folgen?
Sie hatte aus ihrer eigenen
Matrosenzeit einige hübsche Erinnerungen an das Null-G-Lokal: eine Frau in
glitzernder Artistenkleidung, die durch den Raum schwebte, an der Cocktailtheke
landete und sich einen
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