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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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Anweisungen liefen durch die Reihen.
Passat stieß Helium aus und ließ sich ruckartig hundert Meter nach unten
fallen, dann konnte es ebenfalls die Beute näher kommen sehen. Der Wind aus dem
Süden trieb ihnen eine Wolke entwurzelter junger Fallschirme entgegen, die sich
im Zustand der Metamorphose befanden ...
    Kannibalismus? Ja, sicher.
Kindermord ist für die Gleiter ein Teil ihres Lebenszyklus. Das ist kein Grund
angewidert zu sein. Die Gleiter vermehren sich so schnell wie eure Bakterien.
Sie müssen durch Kannibalismus ihre Zahl regulieren, oder ihre Spezies würde
den Himmel verdunkeln und den Planeten in einen plötzlichen Winter stürzen. Du
weißt selbst, was Überbevölkerung anrichten kann, ist das nicht euer
hauptsächliches Problem gewesen? Aber die Gleiter sind nur Tiere, sie fällen
keine ethischen Entscheidungen. Sie leben so, wie ihre Instinkte es verlangen.
Dasselbe tat auch der Ahne.
    Die Jagdkette verhielt sich still,
um die näher kommenden Fallschirme nicht zu erschrecken. Alle warteten
angespannt auf das Signal des Leittieres. Als die Wolke nah genug heran
getrieben war, ertönte ein schriller Dreiklang aus der Ferne, und das
Schlachten begann. Passat überließ sich dem wilden Triumph Bladerunners, als es
zwischen die flüchtenden Kinder stieß und ihre Körperhäute zerfetzte. Sein
Tiefenselbst informierte es darüber, dass ein echter Gleiter diese Blutgier
nicht besaß. Für die anderen war das Töten ein eher mechanischer Vorgang, mit
wenig Gefühl verbunden. So als würde man ein Steak aus dem Recycler holen.
    Ein weiteres durchdringendes
Klangsignal riss Passat aus seinem Rausch. Es gehorchte automatisch und ließ
die Überreste einer Flügelmembran fallen. Seine Tierinstinkte ließen ihm keine
Wahl, als auf die Töne zu hören und direkt auf sie zuzufliegen. Bald sah es von
allen Seiten weitere Gleiter in dieselbe Richtung strömen, bis sie sich um das
Leittier herum in einer riesigen Wolke flatternder Flügel trafen. Schnell
ordnete sich das Muster erneut, wurde zu einer rotierenden Kugel aus perlmutt
schimmernden Körpern. Von weitem hätte man das Gebilde für einen einzigen durch
den Himmel rollenden Organismus halten können.
    Passat reihte sich in das Innere
der Kugel ein und wurde von allen Seiten interessiert gemustert. Als
Neuankömmling war es eine willkommene Abwechslung in der gleichförmigen Lebensart
des Schwarms. Seine Instinkte sagten ihm, was es zu tun hatte. Es ließ sich ein
Stück in den Hohlraum driften, wo einsam das Leittier als Mittelpunkt der
Formation schwebte. Sofort folgte ihm sein Flugnachbar und rollte sich zur
Begrüßung in der Luft auf den Rücken. Er strich mit der Mundöffnung über
Passats Flügel, um sich seinen Geruch einzuprägen. Dann kehrte er an seinen
Platz in der Formation zurück und machte dem nächsten Gleiter Platz, der die
Geste wiederholte. Die Zeremonie dauerte Stunden.
    Ganz zum Schluss verließ auch das
Leittier seinen Platz und kam auf Passat zugeflogen. Die Hohlkugel verschob
sich mit ihm, bis sie beide gemeinsam zum Zentrum des Schwarms wurden. Diesmal
war es Passat, der sich in die hilflose Rückenlage rollte, um seinen Respekt zu
zeigen. Der Schwarmführer berührte flüchtig seine Bauchseite, und dann packte
er zu.
    Passat konnte sich in der
Umklammerung kaum bewegen, die Flügel des Leittieres hatten seinen Körper fest
umwickelt. So hielt es still und fühlte passiv, wie sich ihre beiden Heliumblasen
aneinander rieben. Seine Haut reagierte sofort und begann, eine durchsichtige
Flüssigkeit abzusondern, so dass bald die ganze Membran von einem
Tropfenschleier überzogen war.
    Das Begattungswasser versetzte den
Schwarmführer in Ekstase. Er zog die Flügel immer dichter und glitt in
ruckartigen Bewegungen über Passats feuchte Haut hinweg. Seine Poren öffneten
sich und atmeten Millionen von winzigen Sporen aus. Wie Blütenstaub blieben sie
an Passats feuchter Haut kleben, umkleideten es ockerrot und duftend. Wasser
und Samen vereinigten sich auf seinem Körper, verschmolzen miteinander und
bildeten den Beginn neuen Lebens. Die ersten Zellteilungen begannen. Der Schwarmführer
löste seinen Griff. Verabschiedend drückte er noch einmal seinen Mund auf
Passats Flügel, bevor er sich abwandte und davonflog.
    Passat wartete, bis sich der ganze
Gleiterschwarm zusammen mit dem Leittier an ihm vorbei bewegt hatte und es
außerhalb der Kugelformation schwebte. Dann ließ es sich fallen. Mit zischendem
Heliumausstoß lenkte es schräg

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