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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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erklärt. Wenn man ein adeliger Camelot ist, wird man
an einen gleichrangigen Partner des anderen Geschlechts verheiratet, ohne
selbst eine Wahl zu haben. Man führt eine vom Gildemeister arrangierte, lebenslange
heterosexuelle Ehe. Wie im echten Mittelalter gilt ein strenger katholischer
Moralkodex. Die Person, die man wirklich liebt, darf man nur als unerreichbares
Minneideal verehren. Die Camelots glauben, dass sie durch den Sehnsuchtsschmerz
zu einer reineren, vergeistigten Form der Liebe finden, zu ‘sittlicher
Läuterung und seelischer Erhöhung des Entsagenden’ wie es in historischen
Texten heißt.“
    „Aha.“ Dschinn lächelte
selbstironisch. „Vielleicht sollte ich meine aussichtlose Beziehung zu Serail
einfach ‘Minne’ nennen.“
    Die Kapitänin warf den Schleier
zurück und schritt die Stufen zur Adelstribüne hinauf. Sie begrüßte das
Herrscherpaar in der vorgeschriebenen demütigen Weise, was Dschinn überraschte.
Doch Randori befand sich hier auf Gildeterritorium und war daher nach den
Spielregeln eine Untertanin des Königs. Es wäre sehr unhöflich gewesen, die
Illusion zu zerstören und Artus als bloßen Passagier zu behandeln. Respektvoll
bat Randori um eine private Audienz mit Merlin dem Zauberer.
    Newton stemmte sich aus seinem
Stuhl. Er warf einen neugierigen Blick auf Dschinn, Herzogin von Archensee, wie
Randori sie kurzerhand vorgestellt hatte. „Eine bezaubernde Gespielin“, sagte
er galant. „Sie hätten uns beide schon früher bekannt machen sollen. Wo haben
Sie denn Ihren anderen hübschen Liebhaber gelassen?“
    Randori kaschierte ihre Verwirrung,
indem sie mit einer Hand ihr Kleid zusammenraffte, um die Stufen hinab zu
steigen. Was für ein Liebhaber?
    „Sie haben also Serail kennen
gelernt?“, vermutete Dschinn und half der Kapitänin aus der Klemme.
„Normalerweise vermeidet er es, zusammen mit Randori gesehen zu werden.“
    „Ah, dann hatte ich Glück.
Kürzlich ist er in eine Gerichtsverhandlung hineingeplatzt, die von der
Kapitänin geleitet wurde.“ Der Designer lachte gutmütig. „Etwas publicityscheu,
der junge Herr, wie? Nicht jeder hat es gerne, im Schiffsklatsch als Randoris
neueste Begleitung aufzutauchen. Davor sollten auch Sie sich in Acht nehmen,
Herzogin.“ Er zwinkerte ihr zu.
    Sie passte sich seinem leichten
Tonfall an und entgegnete: „Ich könnte mir Schlimmeres vorstellen, Meister
Merlin. Aber unsere Beziehung ist gänzlich unerotisch.“
    „Unerotisch, meine Liebe? Eine
Schönheit wie Sie macht selbst harmloses Geplauder zu einem sinnlichen Vergnügen.“
    Dschinn war sicher, dass er kein wirkliches
Interesse an ihr hatte. Der Flirtversuch war nur seine Methode, um
herauszubekommen, wer sie eigentlich war. Während er auf diese Weise Konversation
betrieb, wirkte Newton oberflächlich und ein wenig plump, aber seine Augen
musterten sie mit versteckter Schärfe.
    Sie überließ der Kommandantin die
meisten Antworten. Randori hatte mehr Übung darin, sprachlichen Fallen zu
entkommen. Kurz blinzelte sie sich in den Strom und schlug unter dem Karteinamen
‘Dschinn’ nach. Dort fand sie bereits einen Akteneintrag mit Bild, den Newton
sich anschauen konnte.
    Sie hätte es sich denken können.
Randori würde nicht den Patzer begehen, die Herzogin von Archensee ohne eine
beweisbare Identität am Hof vorzustellen. Laut Strom hatte Dschinn sich
kürzlich aufgrund einer Scheidung neu taufen lassen. Ein älterer Name war nicht
vermerkt, so dass man ihre Lebensgeschichte nicht zurückverfolgen konnte. Es gab
Hinweise auf Kleidergeschmack und Lieblingsrezepte, genug nichtssagende
Informationen, um die Akte glaubhaft zu machen.
    Newton und Randori hatten eine
einsame Hofecke gefunden, wo sie den Small Talk fortsetzten. Währenddessen ließ
Dschinn gelangweilt ihre Blicke über die Menge schweifen. Sie verstand, dass
Randori den Designer nicht einfach fragen konnte, ob er mit terroristischen
Attentätern unter einer Decke steckte. Aber für einen Zuhörer war das lange
Herantasten ziemlich ermüdend. Dschinn passte ihre Augen an die Dunkelheit an,
so dass sie die fremdartigen Kostüme und Manieren der Gäste studieren konnte.
    Eine Weile beobachtete sie einen
Camelot, der die Rolle eines Taschendiebes angenommen hatte und den Gästen
unbemerkt ihre Geldbörsen vom Gürtel schnitt. An Bord des Schiffes war
Beutelschneiderei eine recht sinnlose Betätigung, schließlich konnte man sich
Gold und Edelsteine aus jedem Recycler holen, wenn man Lust dazu hatte. Da

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