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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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An
Bord herrscht eine Vergnügungskultur hundertjähriger Teenager, die sich fragen,
warum das Leben an Bord so oberflächlich geworden ist. Aber wie könnte es
anders sein bei einer Gesellschaft, die auf natürliche Reife und Entwicklung
verzichtet hat?“
    Serail protestierte. „Das ist
völlig unlogisch. Sie werden schon nach einem Drittel der normalen Zeit
sterben. Es gehen Ihnen Jahrhunderte an möglicher ‘Entwicklung’ verloren. Wie
können Sie da von einer größeren Reife sprechen?“
    Die Schamanin zuckte mit den
Schultern. „Meine Lebenszeit ist vielleicht kürzer, aber erfüllter. Es gab
irdische Epochen, in denen kaum jemand älter als dreißig wurde, doch dafür war
ihr Leben schneller, intensiver, genau wie meines. Kennst du die alten Sagen
von Romeo und Julia, Siegfried dem Drachentöter, Achilles vor Troja ...? Nach
unseren heutigen Maßstäben waren sie noch Kinder, vielleicht sechzehn oder siebzehn
Jahre alt.“ Sie lächelte ein wenig boshaft. „Was tust du mit deinem langen
Leben, Crew Serail? Du versucht krampfhaft, das Übermaß an Zeit totzuschlagen.“
    Serail fühlte sich unbehaglich.
Sie schien ihn mit ihrem Blick zu durchleuchten wie mit einem Röntgenmikroskop.
Um von dem verstörenden Thema abzulenken und auch, weil er zurzeit wirklich
wichtigere Probleme hatte, sagte er: „Man hat mich nicht hergebracht, damit wir
beide über Verjüngung diskutieren können. Also, warum bin ich hier?“
    „Politik“, antwortete sie kurz.
    „Was soll das heißen? Ich habe mit
Politik überhaupt nichts zu tun.“
    Sie schnaubte nur. „Stell dich
nicht dümmer, als du bist.“ Die Schamanin schlurfte aus seinem Blickfeld. Er
musste wohl selbst darauf kommen.
    Serail schloss die Augen und
dachte fieberhaft nach. Er war Crew, aber davon gab es viele. Er war einem
Attentat mit Designerwaffe entkommen ... und er hatte mit Kapitänin Randori und
einem Alien-Monster die Wohnung geteilt. Ja, das machte ihn wirklich zu etwas
Besonderem.
    Wussten die Eremiten über den
außerirdischen Besuch Bescheid? Dann war Serails Gefangennahme das perfekte
Druckmittel für eine Erpressung. Sein ‘Getrauter’ würde absolut alles tun, um
ihn zu retten. Serail hatte seinen Entschuldigungsbrief nur einmal gelesen und
dann in kleine Fetzen zerrissen, aber dennoch erinnerte er sich an jedes Wort.
Wahrscheinlich, weil die Verzweiflung darin seine eigene widerspiegelte.
    Wie ironisch, dass er sich seinem
Getrauten nach dem Unfall näher gefühlt hatte als je zuvor. Caravan hatte ihn
während ihrer Ehe immer von ganzem Herzen geliebt, das wusste er. Doch er
selbst hatte dieses Gefühl nicht auf dieselbe Art erwidert. Sie hatten
geflirtet, hatten Spaß miteinander gehabt. Caravan war für ihn ein guter
Beschützer gewesen, ein fester Halt, ein Fels in der Brandung. Aber verliebt
hatte sich Serail erst wirklich, als er seinen Getrauten nach dem
Gedächtnisverlust ganz neu kennen gelernt hatte, so vertrauensvoll und unschuldig.
War diese Persönlichkeit nur eine Maske gewesen? Oder musste er sich mit dem
Gedanken abfinden, dass er für den geklonten Caravan tatsächlich mehr empfand
als für das Original? Großer Gott, was für ein furchtbarer Gedanke! Wie konnte
er den Mörder seines Ehemanns lieben? Auch wenn dieser Mörder dem Ermordeten
wie ein Abziehbild glich ... Die ganze Situation war so schmerzhaft,
frustrierend und verwirrend, dass er beinah froh war, gefesselt in einer
Schamanenhöhle zu liegen, solange er dadurch seinem Alien-Getrauten nicht begegnen
musste. Aber eines wusste er ohne jeden Zweifel: Das außerirdische Wesen würde
Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um ihn hier herauszuholen.
    Womit er wieder bei seiner
augenblicklichen Situation war. Die Frage lautete noch immer, warum hielt man
ihn gefangen? Vielleicht hatte es mit Caravan gar nichts zu tun. Vielleicht
wollte man einfach nur Randori erpressen. Seine Entführer bildeten sich wohl
ein, dass die Kapitänin zu Opfern bereit war, um ihren Zimmergenossen zu
retten. Serail zweifelte daran. Randori konnte erschreckend gewissenlos sein,
wenn es um Politik ging. Aber in den Wochen ihres Zusammenlebens hatte er
natürlich einiges an Informationen aufgeschnappt … vielleicht waren die
Schamanen daran interessiert. Man würde ihn unter Hypnose setzen oder mit
Gewalt versuchen, Insider-Kenntnisse aus ihm herauszuholen. Viele
Möglichkeiten, die allesamt gleich unangenehm klangen. Im Augenblick konnte er
nichts anderes tun, als zu warten.
    Er versuchte sich

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