Die Fünf Tore 1 - Todeskreis
schien im Wind zu wehen.
»Das ist eine meiner Vorfahrinnen«, erklärte Mrs Deverill und lächelte für den Bruchteil einer Sekunde.
Matt betrachtete den Hintergrund des Bildes. Die Frau war vor einem Dorf abgebildet, das aus wenigen heruntergekommenen Häusern bestand. Matt sah wieder in ihr Gesicht und schauderte. Es hatte sich nichts bewegt, aber er hätte schwören können, dass sie vorher nach links, in Richtung Rahmen geschaut hatte. Jetzt waren ihre Augen auf ihn gerichtet. Er schluckte hörbar. Seine Fantasie ging mit ihm durch. Er drehte sich um und musste feststellen, dass auch Mrs Deverill ihn anstarrte. Er war zwischen ihnen gefangen.
Mrs Deverill lächelte kurz. »Sie sieht aus wie ich, nicht wahr? Sie war auch eine Deverill. In diesem Teil von Yorkshire gibt es schon seit dreihundert Jahren Deverills. Sie hieß Jayne, genau wie ich. Sie wurde verbrannt. Man sagt, wenn der Wind günstig steht, kann man ihre Schreie noch heute hören. Komm mit nach oben …«
Matt folgte Mrs Deverill über eine gewundene Treppe in den ersten Stock und zu einem Zimmer am Ende des Flurs. Das würde sein Zimmer sein … und es war das Zimmer, das ihn am meisten interessierte. Seine Kopfschmerzen waren schlimmer geworden. Er fürchtete, sich übergeben zu müssen.
Das Zimmer hatte eine niedrige Decke mit frei liegenden Balken und einen Holzfußboden, in dessen Mitte ein kleiner Teppich lag. Durch die winzigen Fenster konnte er ein Feld sehen und dahinter den Wald. Das durchhängende Bett war gemacht, allerdings gab es keine Steppdecke, sondern nur Laken und Wolldecken. An der Wand gegenüber befanden sich ein Waschbecken und eine Kommode, auf der eine Vase mit Trockenblumen stand. Die Bilder an den Wänden waren mit Wasserfarben gemalt und zeigten Ansichten von Lesser Malling.
»Ich musste das Zimmer für dich schmücken«, bemerkte Mrs Deverill mürrisch. Natürlich hatte sich jemand vom FED-Programm die Farm angesehen und darauf bestanden, dass sein Zimmer sauber und gemütlich war. »Ich habe die Blumen selbst getrocknet. Tollkirsche, Oleander und Mistel. Drei meiner Lieblinge. Natürlich alle giftig, aber sie haben so schöne Farben …«
Matt legte seinen Koffer aufs Bett und bemerkte, dass sich zwischen den Kissen etwas bewegte.
»Das ist Asmodeus«, sagte Mrs Deverill. »Mein Kater.«
Es war ein riesiger schwarzer Kater mit gelben Augen. Sein Bauch war dick, als hätte er vor Kurzem gefressen, und Matt fiel eine graue Stelle auf, an der sein Fell abgewetzt aussah. Der Kater schnurrte faul vor sich hin. Matt streckte die Hand aus, um ihn zu streicheln. Der Kater schnurrte lauter. Langsam drehte er den Kopf und sah Matt in die Augen. Dann schlug er ihm die Zähne in die Hand.
Mit einem Aufschrei riss Matt die Hand zurück. Blut quoll aus der Bisswunde in seinem Daumen. Ein Tropfen fiel auf den Boden. Mrs Deverill wich einen Schritt zurück. Matt sah, wie sich ihre Augen weiteten, und zum ersten Mal an diesem Tag war ihr Lächeln echt. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem leuchtend roten Blut auf dem Boden.
Das war zu viel für ihn.
Das Zimmer drehte sich. Matt schwankte. Er wollte etwas sagen, doch er brachte kein Wort heraus. Die Wände wirbelten um ihn herum. Er hörte, wie eine Tür aufgestoßen wurde. Er blickte hindurch und sah einen Kreis aus riesigen Granitblöcken – oder zumindest glaubte er, dass er das sah. Jemand hielt ein Messer. Er sah es über seinem Kopf schweben, die Spitze auf sein Auge gerichtet. Der Fußboden schien zu beben, und dann brachen die Holzdielen eine nach der anderen auf. Die Splitter flogen durch die Luft. Grelles Licht kam aus dem Boden, und Matt glaubte, in dem Licht eine riesige, unmenschliche Hand zu erkennen.
Eine Stimme hallte in seinen Ohren.
»Einer der Fünf!«, wisperte sie.
Das Licht umhüllte ihn. Er spürte, wie es ihn durchdrang und das Innere seines Kopfes verbrannte. Um es auszusperren, drückte er sich beide Hände fest auf die Augen. Dann kippte er hintenüber. Er war schon bewusstlos, als er auf dem Boden aufschlug.
DIE WARNUNG
»Was ist los mit ihm?«
»Er hat eine Lungenentzündung.«
»Was?«
»Er wird vielleicht sterben.«
»Das darf er nicht!«
»Heilen Sie ihn, Mrs Deverill. Sie sind für ihn verantwortlich. Sorgen Sie dafür, dass er am Leben bleibt!«
Matt hörte die Stimmen zwar, aber er wusste nicht, wem sie gehörten. Er spürte ein Kissen unter seinem Kopf und wusste deshalb, dass er im Bett lag. Aber er hätte nicht sagen können,
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