Die Fünf Tore 1 - Todeskreis
da.
Der Landrover stand immer an derselben Stelle neben der Scheune, und beim Abendessen war er noch da gewesen. Hatte sie Hive Hall verlassen? War sie irgendwo im Wald und nahm an dem teil, was dort vorging? War er allein auf der Farm?
Er ging zurück ins Wohnzimmer. Sein Blick fiel auf das Porträt, und nun war er sicher, dass es nicht seine Fantasie gewesen war: Das Bild hatte sich erneut verändert. Die Figur hatte eine Hand gehoben, und einer ihrer knochigen Finger zeigte nach oben, als erteile sie ihm den Befehl, ins Bett zu gehen. Matt war sicher, dass das Bild so nicht gemalt worden war.
Matt ging nach oben, aber nicht in sein Zimmer. Er musste sich vergewissern, auch wenn ihm davor graute. Er schlich ans Ende des Flurs und klopfte leise an Mrs Deverills Tür. Es kam keine Antwort. Er klopfte ein zweites Mal. Dann öffnete er die Tür.
Er starrte in ein kaltes, leeres Zimmer mit blankem Dielenfußboden und einem eisernen Bettgestell. Außerdem waren noch ein Schrank und eine Kommode zu sehen. Das Bett war leer. Er hatte recht gehabt. Mrs Deverill war nicht da. Endlich bot sich ihm die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte.
Matt hatte längst entschieden, dass er nach London zurückgehen würde. Jetzt wusste er, dass es in dieser Nacht geschehen musste. Im Morgengrauen würde er die Autobahn erreicht haben und konnte per Anhalter nach Süden fahren. Er zweifelte nicht daran, dass Mrs Deverill die Polizei verständigen würde, aber je weiter er zu diesem Zeitpunkt schon weg war, desto schwieriger würde es sein, ihn zu finden. Und wenn er erst in London war, war er in Sicherheit. Aber er brauchte Geld. Geld machte den Unterschied zwischen Überleben und ständiger Gefahr. Er würde Essen kaufen müssen. Er musste ein Zimmer mieten. Irgendwo im Haus musste Geld sein. Er würde es finden und stehlen.
Matt begann in der Küche. Jetzt war es ihm egal, wie viel Lärm er machte. Er durchwühlte Schubladen und Schränke, öffnete Schachteln und Dosen und versuchte, Mrs Deverills Haushaltsgeld zu finden. Er konnte das Geflüster immer noch hören, doch mittlerweile kam es in größeren Abständen. Hörte es bald auf? Er warf einen Blick auf die Uhr. Viertel nach eins. Er bewegte sich schneller, voller Angst, dass die Frau bald zurückkommen könnte. In der Küche war kein Geld. Er suchte nach ihrer Handtasche. Darin war bestimmt Geld und vielleicht auch Kreditkarten. Aber Mrs Deverill schien sie mitgenommen zu haben.
Er durchsuchte das Wohnzimmer. Jetzt hatte es den Anschein, als würde die Frau auf dem Porträt ihn wütend anstarren, während er hinter die Bücher schaute und unter jeden Stuhl spähte, in der Hoffnung, entweder Geld oder die Handtasche zu finden. Matt hatte kein Licht eingeschaltet – er wollte nicht riskieren, dass Noah es von der Scheune aus sah, falls er nicht mit Mrs Deverill weggefahren war. Er wollte gerade im Kamin nachsehen, als ihn etwas so anschrie, dass er entsetzt zurücksprang. Sein Herz schlug wie wild. Es war Asmodeus, der Kater von Mrs Deverill. Er hatte auf einem der Stühle geschlafen, doch plötzlich war er aufgesprungen, als hätte er einen Stromschlag abbekommen. Sein Fell war gesträubt, und seine Augen glühten. Er öffnete das Maul und fauchte. Seine Zähne waren riesig. Matt rührte sich nicht. Der Kater würde ihn angreifen, davon war er überzeugt. Er war sprungbereit, und seine Krallen rissen schon an dem Stuhl herum, als übe er, was er gleich mit Matts Gesicht tun würde.
Matt sah sich um. Neben dem Kamin hing ein Schürhaken, ein großes, altes Ding. Er überlegte, danach zu greifen, doch er war nicht sicher, ob er es fertigbringen würde, das Ding zu benutzen. Der Schwanz des Katers schlug hin und her. Matt hatte es gewagt, Mrs Deverills Gastfreundschaft zu missbrauchen, und dafür würde er jetzt bezahlen. Der Kater fauchte ein zweites Mal, dann sprang er ab.
Matt war darauf vorbereitet. Neben dem Schürhaken stand ein großer Weidenkorb. Normalerweise enthielt er Holzscheite, doch er war ausnahmsweise leer. Matt packte ihn und warf ihn über den Kater, genau in dem Moment, in dem dieser absprang. Sofort ertönte ein wütendes Kreischen und Fauchen, und die Krallen rissen verzweifelt am Korbgeflecht. Matt presste den Korb auf den Stuhl, damit der Kater nicht entkam. Mit einer Hand drückte er den Korb nach unten, mit der anderen griff er nach Mrs Deverills altmodischer Nähmaschine, die neben dem Tisch auf dem Boden stand. Es kostete ihn fast seine ganze
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