Die Fünf Tore 1 - Todeskreis
gab keinen Weg. Er war auf diesem Felsenturm gefangen. Das Gewitter wurde stärker, und nun tauchte auch noch etwas Dunkles und Grauenhaftes über dem Meer auf. Ein riesiger Flügel, der sich um ihn legte. Das Mädchen rief nach ihm.
»Matthew! Matthew!«
Der Wind riss ihre Worte mit sich und warf sie achtlos beiseite. Das Mädchen flehte ihn an, doch auch für die vier wurde die Zeit knapp. Der Strand riss auf. Dunkle Spalten erschienen, und der Sand stürzte hinein. Die Wellen schlugen immer höher. Sie saßen in der Falle. »Ich komme!«, schrie Matt.
Er machte einen Schritt auf sie zu und fiel. Er schrie auf, doch er war verloren. Alles drehte sich um ihn, als er durch die Nacht ins Meer stürzte.
Matt schrak hoch.
Er lag in seinem Bett in Hive Hall. Er konnte die Deckenbalken erkennen und die Trockenblumen in ihrer Vase auf der Kommode. Es war Vollmond, und das matte Licht fiel in sein Zimmer. Einen Moment lag Matt bewegungslos da und dachte an seinen Traum. Er hatte ihn schon oft geträumt, nicht nur in Hive Hall, sondern auch schon früher. Der Traum war immer gleich, abgesehen von zwei Dingen. Jedes Mal kam diese Erscheinung, die er sah – der Flügel oder was immer es war –, ihrer Entfaltung ein Stück näher. Und jedes Mal wachte Matt ein paar Sekunden später auf, ein paar Zentimeter dichter über der Wasseroberfläche und den Felsen. Was wohl passieren würde, wenn er beim nächsten Mal nicht rechtzeitig aufwachte?
Er drehte den Arm zum Fenster, um seine Uhr lesen zu können. Es war fast Mitternacht. Um zehn war er ins Bett gegangen. Was hatte ihn geweckt? Er hatte den ganzen Tag geschuftet und hätte eigentlich durchschlafen müssen.
Und dann hörte er es.
Es war sehr leise und weit entfernt, aber in der Stille der Nacht trotzdem ziemlich deutlich zu hören. Es kam aus dem Wald.
Geflüster.
Anfangs hielt Matt es nur für das Rauschen des Windes in den Zweigen, aber es ging kein Wind. Und als er die Bettdecke zurückwarf und sich aufsetzte, hörte er noch ein anderes Geräusch. Es war ein gleichmäßiges leises Summen. Das Geflüster hörte auf und begann von Neuem, aber das Summen veränderte sich nicht.
Matt spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. Die Geräusche waren zwar weit weg, aber sie hätten ebenso gut aus dem Haus kommen können. Es war gruselig. Sie waren überall. Er stieg aus dem Bett und ging ans Fenster.
Eine Wolke schob sich über den Mond, und einen Moment lang war es stockdunkel. Aber trotzdem war ein Lichtschein zu sehen. In der Dunkelheit konnte Matt irgendwo im Wald ein schwaches Glimmen erkennen. Das Licht wurde von den Bäumen nahezu verschluckt, doch ein paar der kalten weißen Strahlen entkamen durch die Zweige. Es war eindeutig elektrisches Licht und stammte nicht von einem Feuer. Und es schien aus derselben Richtung zu kommen wie die Geräusche.
Wer war dort draußen? Was passierte da mitten in einem Wald im tiefsten Yorkshire – konnte es etwas mit der Warnung zu tun haben, die ihm der Mann am Nachmittag zugeflüstert hatte?
»Halte dich von diesem Dorf fern. Du bist in Gefahr.«
Plötzlich wollte Matt es genau wissen. Bevor ihm bewusst wurde, was er tat, hatte er schon seine Sachen angezogen und das Zimmer verlassen. Auf dem Flur blieb er stehen und lauschte. Das Zimmer von Mrs Deverill lag am Ende des Flurs. Die Tür war geschlossen. Matt nahm an, dass sie schlief. Sie ging immer pünktlich um halb zehn ins Bett. Und sie aufzuwecken war das Letzte, was er wollte. Auf Zehenspitzen schlich er hinunter ins Wohnzimmer. Das Porträt von Mrs Deverills Vorfahrin beobachtete ihn, als er zur Tür ging. Ihre Augen schienen ihm zu folgen, und ihr Gesicht sah düster aus.
Auf dem Hof war es kalt. Nirgendwo rührte sich etwas. Matt konnte das Geflüster jetzt deutlicher hören. Es war nicht nur lauter geworden, sondern hörte sich auch näher an.
Er konnte sogar einzelne Worte verstehen – wenn sie auch keinen Sinn ergaben.
»LEMMIH … MITSIB … UDRED … RESNU … RE-TAV.«
Die merkwürdigen Laute umhüllten ihn, als er dort stand und in die Nacht hinauslauschte. Es waren menschliche Stimmen. Menschlich, aber trotzdem unheimlich. Matt wusste nicht, was er tun sollte. Ein Teil von ihm wollte sich aufs Rad schwingen und versuchen, näher an die Stimmen heranzukommen. Ein anderer Teil wollte wieder ins Bett gehen und die ganze Sache vergessen. Plötzlich fiel ihm etwas auf, das er eigentlich sofort hätte sehen müssen.
Mrs Deverills Auto war nicht
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