Die Fünf Tore 1 - Todeskreis
hatte, bevor er sie im Rahmen des FED-Programms kennengelernt hatte. Doch das würde bedeuten, dass sie das, was in Lesser Malling vor sich ging – was auch immer das sein mochte –, schon seit Jahren geplant hatte und dass er schon lange ein Teil davon war.
Ach, sollen sie doch alle zum Teufel gehen, dachte Matt wütend. Seine Tante, die Sozialarbeiterin, Mallory, Mrs Deverill … Sie hatten ihn schon viel zu lange herumgeschubst. Von jetzt an würde er auf sich selbst aufpassen. Vielleicht fand er einen Job in einer Küche oder einem Hotel. Er sah älter aus, als er war. Verbissen strampelte er vorwärts. Er sah noch einmal auf die Uhr. Schon zwei Uhr! Es erstaunte ihn, wie viel Zeit schon vergangen war, seit er die Farm verlassen hatte.
Vor ihm tauchte eine Kreuzung auf. Matt hörte auf, in die Pedale zu treten und ließ das Rad die letzten Meter rollen. Er sah sich um. Es war eine Kreuzung mit fünf Straßen und einem abgebrochenen Wegweiser. Matt brauchte eine halbe Minute, um festzustellen, wo er war. Irgendwie hatte ihn die Straße, die er gewählt hatte, im Kreis herumgeführt. Er war wieder genau da, wo er losgefahren war.
Matt ärgerte sich über sich selbst. Er hatte Zeit und wertvolle Energie verschwendet. Vielleicht war Mrs Deverill schon wieder in Hive Hall. Dann hatte sie den Kater unter dem Korb gefunden und sein Zimmer kontrolliert.
Wahrscheinlich hatte sie schon längst bei der Polizei angerufen.
Mit zusammengebissenen Zähnen wählte Matt eine der anderen Straßen und fuhr los. Allmählich wünschte er, er hätte bis zum Morgen gewartet. Nein. Dann hätte er auf der Farm arbeiten müssen, und Mrs Deverill und Noah ließen ihn nie aus den Augen. Er konzentrierte sich auf seinen Rhythmus, linker Fuß, rechter Fuß, und lauschte auf das Knarren der Fahrradkette. Die Bäume glitten an ihm vorbei. Etwa zwanzig Minuten vergingen. Matt war sportlich und hatte sich vollkommen von seiner Krankheit erholt. Er spürte einen dumpfen Schmerz in den Beinen, aber davon abgesehen ging es ihm gut. Die Straße führte um eine Kurve.
Matt bremste.
Er war wieder an der Kreuzung. Das war unmöglich. Die Straße, die er genommen hatte, war schnurgerade gewesen, und er war mindestens vier Kilometer weit geradelt. Er starrte das abgebrochene Schild fassungslos an. Es gab keinen Zweifel.
Jetzt wurde er richtig wütend. Dass so etwas einmal passierte, war Pech. Aber zweimal! Das war einfach idiotisch. Er riss das Fahrrad herum und fuhr in die fünfte Straße, die am weitesten entfernt war. Diesmal radelte er schneller, und seine Wut verlieh ihm zusätzliche Kraft. Der Nachtwind blies ihm über die Schultern und kühlte den Schweiß auf seinem Gesicht. Eine Wolke verdunkelte den Mond, und plötzlich war es stockfinster. Matt fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Dann bremste er scharf. Er konnte es nicht fassen.
Aus der fünften Straße war irgendwie die erste Straße geworden. Er war wieder an der Kreuzung. Das abgebrochene Schild stand da und schien ihn zu verhöhnen.
Na gut. Er schlug den Weg ein, auf dem er gekommen war, und fuhr an Hive Hall vorbei. Am Tor sauste er so schnell vorüber, wie er konnte. Im Haus brannte kein Licht, also war Mrs Deverill vielleicht doch noch nicht zu Hause. Die Straße führte steil bergauf – ein gutes Zeichen. Ein Hügel war etwas anderes. Keine der anderen Straßen hatte bergauf oder bergab geführt. Matt war es längst egal, wohin er fuhr, Hauptsache, er fand eine größere Straße. Er hatte den Wald ebenso satt wie diese Landstraßen.
Als er auf der Hügelkuppe ankam, hielt er an. Zum ersten Mal hatte er Angst. Er radelte nun schon mehr als eine Stunde und hatte immer noch keinen Weg in die Freiheit gefunden.
Er war wieder an der Wegkreuzung, an der er losgefahren war.
Matt atmete schwer. Seine Finger krallten sich so fest um den Lenker, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Er blieb einen Moment stehen und überlegte, welche Möglichkeiten er noch hatte. Keine. Entweder spielte ihm die Dunkelheit einen Streich, oder es ging etwas vor, das er nicht verstand. Aber eines war ihm mittlerweile klar – er würde nirgendwo hinkommen, auch wenn er die ganze Nacht fuhr.
Er musste zurückkehren und sich dem Zorn von Mrs Deverill stellen. Eine andere Wahl hatte er nicht. Er drehte das Fahrrad um und radelte langsam zur Farm zurück.
OMEGA EINS
»Er war letzte Nacht in meinem Zimmer«, sagte Mrs Deverill. Sie sprach in ein altmodisches schwarzes Telefon. Das
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