Die Fünf Tore 1 - Todeskreis
riss einen Streifen vom Saum seines T-Shirts ab und knotete ihn um einen Ast. Dann trat er zurück und betrachtete sein Werk. Das kleine hellblaue Fähnchen würde ihm den Weg zeigen, falls er ihn jemals wieder gehen wollte. Zufrieden zog er die Jacke wieder an und machte sich auf die Suche nach seinem Fahrrad.
Etwa vierzig Minuten später kam er wieder in Hive Hall an. Es war fast Mittag. Noah strich die Scheune mit Holzschutzmittel. Matt konnte die Chemikalien riechen. Mrs Deverill war sicher im Haus und kochte das Mittagessen.
Matt klopfte sich die Tannennadeln von der Jacke und ging zur Haustür. Er wollte gerade nach der Klinke greifen, als er wie erstarrt innehielt.
Asmodeus war da. Er saß auf dem Fensterbrett und leckte eine seiner Pfoten. Der Kater war nicht tot. Er war nicht einmal verletzt. Als er Matt sah, schnurrte er drohend, sprang von der Fensterbank und verschwand im Haus.
FRISCH GESTRICHEN
In dieser Nacht schlief Matt schlecht. Ihm gingen zu viele unbeantwortete Fragen im Kopf herum, und die Aussicht, von Tom Burgess endlich Antworten zu bekommen, machte ihn unruhig. Er konnte es kaum erwarten, die Wahrheit zu erfahren. Doch er musste sich gedulden, und so wälzte er sich in seinem Bett herum, bis der Himmel erst grau, dann silbern und schließlich blau wurde.
Das Leben auf der Farm begann stets mit dem Frühstück um sieben Uhr. Mrs Deverill war schon in der Küche, als Matt nach unten kam.
»Wo warst du gestern Vormittag?«, fragte sie streng. »Noah hat mir erzählt, dass du nicht bei der Arbeit warst.« Sie trug eine verwaschene gelbe Strickjacke, ein sackartiges graues Kleid und Gummistiefel. Zu Hause hatte sie immer Klamotten an, die aussahen, als kämen sie aus der Altkleidersammlung.
»Ich war spazieren.«
»Spazieren? Wo?«
»Nur in der Gegend.«
Mrs Deverill nahm den Topf vom Herd und löffelte den dicken Haferbrei in zwei Schüsseln. »Ich kann mich nicht erinnern, dass du um Erlaubnis gefragt hast«, stellte sie fest.
»Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie gesagt haben, dass ich das muss«, erwiderte Matt.
Mrs Deverills Augen verengten sich. »Nicht in diesem Ton, junger Mann!«, knurrte sie. Doch dann zuckte sie mit den Achseln, als wäre es nicht von Bedeutung. »Ich denke dabei nur an dich, Matthew«, fuhr sie fort. »Wenn du dir die Broschüre durchliest, die wir vom FED-Programm bekommen haben, wirst du feststellen, dass ich jederzeit wissen muss, wo du steckst. Und ich würde nur ungern berichten müssen, dass du die Regeln verletzt hast.«
»Sie können berichten, was Sie wollen.«
Sie stellte die Schüsseln auf den Tisch und setzte sich ihm gegenüber. »Heute ist viel zu tun. Der Traktor muss gewaschen werden. Und es muss wieder Brennholz gehackt werden.«
»Was immer Sie wünschen, Mrs Deverill.«
»Ganz recht.« Die blassen Lippen pressten sich zu etwas Ähnlichem wie einem Lächeln zusammen. »Was immer ich wünsche.«
Es war neun Uhr, eine Stunde, bevor Matt mit Tom Burgess verabredet war. Matt wusch den Traktor, wie es ihm aufgetragen worden war. Zum fünfzigsten Mal sah er sich um und vergewisserte sich, dass er unbeobachtet war. Noah war auf der anderen Seite der Scheune und reparierte die Wasserleitung. Mrs Deverill fütterte die Schweine. Beide waren außer Sicht, und auch Asmodeus war nirgendwo zu sehen.
Matt ließ den Gartenschlauch fallen, drehte das Wasser ab und wartete, bis das letzte Rinnsal aus dem Schlauch im Boden versickert war. Es kam immer noch niemand. Er hatte das alte Fahrrad auf dem Hof gelassen, damit es griffbereit war. Jetzt schlich er darauf zu und schob es die Einfahrt hinunter. Gleich loszufahren hätte zu viel Lärm gemacht.
Eine Minute später hatte er das Tor hinter sich gelassen und befand sich auf der Straße. Erleichtert schaute er zurück. Es war viel einfacher gewesen, als er zu hoffen gewagt hatte.
Zu einfach? Matt musste wieder daran denken, wie Mrs Deverill in der Küche gelächelt hatte. Er fragte sich, ob sie mehr wusste, als sie zugab. Er hatte schon die ganze Zeit das Gefühl, dass sie mit ihm spielte, und das Foto und der Polizeibericht, die er in ihrem Schrank gefunden hatte, stärkten diese Vermutung. Sie hatte schon vor dem FED-Programm gewusst, wer er war. Dessen war er mittlerweile sicher. Mrs Deverill hatte ihn aus einem ganz bestimmten Grund ausgewählt.
Matt stieg aufs Rad und fuhr los. An der Kreuzung bog er nach links ab, wie Tom Burgess es ihm gesagt hatte. Bei seinem letzten Versuch hatte
Weitere Kostenlose Bücher