Die Fünf Tore 1 - Todeskreis
eine der Fensterscheiben war eingeschlagen. Der Nachttisch war umgekippt, und auf dem Boden lagen eine Lampe, ein Wecker und ein paar Taschenbücher. Die Türen des Kleiderschranks standen offen. Alle Kleider lagen auf einem Haufen in der Ecke. Ein Eimer mit grüner Farbe war umgekippt und hatte sich über das Chaos ergossen.
Und dann sah Matt Tom Burgess.
Der Farmer lag auf der anderen Seite des Bettes auf dem Boden, halb von einem Laken bedeckt. Er war eindeutig tot. Etwas – irgendein Tier – hatte ihm Gesicht und Hals zerfetzt. Er hatte tiefe Risswunden, und seine blonden Haare waren blutgetränkt. Sein Mund stand offen wie zu einem letzten Schrei. Seine Hände waren steif und in einer Haltung erstarrt, die bewies, dass er verzweifelt versucht hatte, etwas abzuwehren. Eine Hand war mit grüner Farbe beschmiert, die seine Finger zusammengeklebt hatte. Seine Beine lagen in einem so unmöglichen Winkel unter ihm, dass Matt sicher war, dass die Knochen gebrochen sein mussten.
Geschockt taumelte Matt rückwärts. Er war sicher, dass er sich übergeben musste. Irgendwie schaffte er es, seinen Blick von der Leiche abzuwenden, und da sah er es, an die Wand hinter der Tür geschrieben. In den letzten Augenblicken seines Lebens war es Tom Burgess mit seiner farbverschmierten Hand gelungen, zwei Worte zu kritzeln:
RAVEN’S GATE
Matt starrte die Worte an, während er rückwärts aus dem Zimmer wich. Er schlug die Tür hinter sich zu und stolperte die Treppe hinunter. Ihm fiel ein, dass er in der Küche ein Telefon gesehen hatte. Er nahm den Hörer ab und wählte mit zitternden Fingern die Notrufnummer. Doch es kam kein Freizeichen. Die Leitung war tot.
Matt warf den Hörer auf die Gabel und rannte aus dem Haus. Er war kaum draußen angekommen, als er sich auch schon übergeben musste. Er hatte noch nie einen Toten gesehen und schon gar keinen, der so grausam zugerichtet war wie Tom Burgess. Er hoffte nur, so etwas nie wieder sehen zu müssen.
Ihm wurde bewusst, dass er zitterte. Als er sich wieder stark genug fühlte, rannte er los. Das Fahrrad hatte er vergessen. Er wollte nur noch weg.
Matt rannte hinaus auf die Straße und bog in Richtung Greater Malling ab. Er war fast einen Kilometer gerannt, als er im Gras am Straßenrand zusammenbrach und keuchend liegen blieb. Er hatte keine Kraft mehr, weiterzulaufen. Wozu auch? Er hatte keine Eltern und keine Freunde. Er würde in Lesser Malling sterben, und es würde niemanden interessieren.
Er wusste nicht, wie lange er schon dort lag, aber irgendwann hörte er ein Auto kommen und setzte sich auf. Es war ein weißer Geländewagen mit einem Schild auf dem Dach. Matt atmete auf, als er näher kam. Es war ein Polizeiwagen. Zum ersten Mal in seinem Leben war er froh, eines dieser Autos zu sehen.
Er rappelte sich auf und stellte sich mit ausgebreiteten Armen auf die Fahrbahn. Das Polizeiauto wurde langsamer und blieb stehen. Zwei Beamte stiegen aus.
»Was ist los?«, fragte der eine. Er war mittleren Alters, ziemlich dick und hatte eine Stirnglatze.
»Warum bist du nicht in der Schule?«, fragte der andere. Er war jünger, schlank und jungenhaft und trug seine braunen Haare kurz geschnitten.
»Jemand ist ermordet worden«, sagte Matt.
»Was? Wovon redest du?«
»Ein Mann namens Tom Burgess. Er ist Farmer. Auf der Glendale Farm. Ich komme gerade von da.« Die Sätze kamen kurz und abgehackt. Matt schaffte es kaum, die Worte aneinanderzureihen.
Die beiden Polizisten sahen ihn misstrauisch an.
»Du hast den Toten gesehen?«, vergewisserte sich der Ältere.
Matt nickte. »Er liegt im Schlafzimmer.«
»Was wolltest du da?«
»Ich war mit ihm verabredet.«
»Wie heißt du?«
In Matt wuchs die Ungeduld. Was war mit diesen Typen los? Er hatte gerade eine Leiche entdeckt. Was spielte es da für eine Rolle, wie er hieß? Er zwang sich, ruhig zu bleiben. »Ich bin Matt«, sagte er. »Ich wohne bei Jayne Deverill in Hive Hall. Ich habe Tom Burgess kennengelernt. Er hat mich eingeladen, ihn zu besuchen. Ich war gerade da. Und er ist tot.«
Der ältere Polizist sah jetzt noch misstrauischer aus, aber sein Partner zuckte die Achseln. »Wir sind gerade an der Glendale Farm vorbeigefahren«, sagte er. »Wir können ja mal nachsehen.«
Der Ältere überlegte kurz, dann nickte er. »Also gut.« Er sah Matt an. »Du kommst mit.«
»Ich will da nicht wieder hin!«, rief Matt aus.
»Du kannst im Wagen warten. Dir passiert schon nichts.«
Zögernd stieg Matt auf den
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