Die Fünf Tore 1 - Todeskreis
primitive Meißel war sicher keine ideale Waffe, aber eine andere hatte er nicht. Vielleicht konnte er Noah wenigstens eine schöne bleibende Erinnerung an sich verpassen. Mit dieser Vorstellung stach er wieder mit dem Eisen zu. Ein weiterer Nagel löste sich.
Es war schon dunkel, als Noah kam. Das bekannte Rasseln der Schlüssel und das Knarren der Tür ertönte und kündigte ihn an. Dann stand er mit der Sichel im Gürtel auf der Schwelle. In der Kammer gab es kein elektrisches Licht. Noah schaltete eine Taschenlampe ein.
»Zeit zu gehen«, verkündete Noah freudig. »Alle warten schon auf dich.«
Matt gab keine Antwort.
»Was ist los?«, zischte Noah. »Willst du Ärger machen, oder was?«
Vom anderen Ende des Raums, wo das Bett stand, kam ein qualvolles Stöhnen. »Was ist? Bist du krank?«
Matt stöhnte wieder und hustete rasselnd. Nervös hielt Noah die Taschenlampe auf Armeslänge von sich.
»Wenn das ein Trick ist«, drohte er, »werde ich dafür sorgen, dass du dir wünschst, nie geboren zu sein. Ich werde – «
Er ging zwei Schritte aufs Bett zu und trat auf den Teppich.
Der Teppich verdeckte das Loch, an dem Matt den ganzen Tag so hart gearbeitet hatte. Noah ließ die Taschenlampe fallen und verschwand, ohne einen Laut von sich zu geben. Der Teppich verschwand mit ihm, er wurde nach unten gesaugt wie in einer Tierfalle.
Blitzschnell sprang Matt vom Bett auf. Er griff nach der Taschenlampe, rannte aus dem Zimmer und die Treppe hinunter.
Es war kein schöner Anblick, der ihn unten erwartete. Er hatte gehofft, dass der fette Landarbeiter das Bewusstsein verlieren würde, wenn er in der Scheune aufschlug. Aber Noah war auf seine Sichel gefallen. Sein Gesicht war zu einer Maske des Erstaunens und des Schmerzes verzogen – und er war eindeutig tot.
Entsetzt starrte Matt auf Noahs reglosen Körper. Er ging näher heran und beugte sich über ihn, aber für den Landarbeiter kam jede Hilfe zu spät. Matt hatte einen Menschen umgebracht.
Sicherlich, er hatte Noah gehasst und ihm ein paar Prellungen und Knochenbrüche von Herzen gegönnt – doch nun war er tot, und es war Matts Schuld. Ihm wurde übel. Er wollte sich setzen, doch er wusste, dass er keine Zeit verlieren durfte. Jeden Moment konnte Mrs Deverill nachsehen kommen, wo Noah blieb. Entschlossen drehte er sich um und lief aus der Scheune.
Matt rannte durch die Dunkelheit. Es regnete, und das Wasser prasselte ihm ins Gesicht. Der Weg war voller Pfützen und so schlammig, dass er kaum vorwärtskam. Zweimal stürzte er, und die Prellung an seiner Schulter tat jedes Mal höllisch weh. Aber davon ließ er sich nicht aufhalten. Er rannte kopflos in die Nacht, ohne etwas zu spüren außer dem Aufschlagen seiner Füße, dem Rauschen des Blutes in seinen Ohren und seinem keuchenden Atem, der in weißen Wölkchen aus seinem Mund kam.
Er rannte, bis es nicht mehr ging und seine Beine ihn bei jedem Schritt anflehten, eine Pause einzulegen. Sein Gehirn war wie betäubt. Er war nur noch eine Maschine. Regenwasser strömte ihm übers Gesicht und lief ihm in den Kragen. Und dann konnte er nicht mehr weiter. Er musste anhalten. Er entdeckte einen Grasstreifen neben der Straße und brach darauf zusammen. Er hatte keine Ahnung, wie weit er gerannt war. Einen Kilometer? Vielleicht waren es auch zehn gewesen.
In einiger Entfernung tauchten die Scheinwerfer eines Autos auf. Matt hob den Kopf und kämpfte sich so mühsam wie ein alter Mann auf die Beine. Er wusste, dass es gefährlich war, aber er hatte keine andere Wahl. Er musste das Auto anhalten und den Fahrer bitten, ihn mitzunehmen. Vielleicht würde der ihn bei der Polizei abliefern. Aber das spielte keine Rolle. Es war Walpurgisnacht. Morgen würde er in Sicherheit sein.
Er taumelte vorwärts und hob die Arme. Das Auto wurde langsamer und hielt an. Seine Scheinwerfer beleuchteten den Regen und ließen ihn aussehen wie schwarze Tinte. Es war ein Sportwagen. Ein schwarzer Jaguar.
Die Tür öffnete sich, und der Fahrer stieg aus. Matt versuchte, auf ihn zuzugehen, verlor das Gleichgewicht und stolperte in ein Paar ausgestreckte Arme.
»Du meine Güte!«, rief Sir Michael Marsh aus.
Es war der Wissenschaftler, den er mit Richard besucht hatte. Matt versuchte zu sprechen, aber er brachte kein Wort heraus.
»Was machst du denn hier, mitten in der Nacht?«, fragte Sir Michael streng. »Nein. Versuch jetzt nicht zu sprechen. Los, setz dich ins Auto, damit du aus dem Regen kommst.«
Matt ließ sich zur
Weitere Kostenlose Bücher