Die fünfte Kirche
eingeredet, dass wir, na ja, dass wir etwas dagegen machen können.»
«Sie meinen Feng-Shui oder so?»
«Oder so», sagte Betty vorsichtig. «Die Ruine bringt mich ganz durcheinander, sie stört mich auf eine Weise, mit der ich nicht umgehen kann. Nachdem wir eingezogen waren, ist das Gefühl stärker geworden, bis ich es fast durch die Wände des Hauses hindurch spüren konnte. Ich hoffe, ich klinge nicht wie eine Irre.»
Sie war erstaunt über das, was sie gerade gesagt hatte – all das hatte sie Robin nicht sagen können. Mrs. Pottinger lächelte nicht. Sie nahm ihre Halbbrille ab und dachte nach.
«Als wir in Old Hindwell lebten», sagte sie endlich, «haben wir uns einen Hund angeschafft, einen Cockerspaniel. Wir nannten ihn Hopkins. Mein Mann ist morgens und abends mit ihm spazieren gegangen. Wenn man den Fußpfad am Fluss hinter der Kirche entlanggeht, kann man fast den ganzen Ort umrunden. Sind Sie den Pfad schon mal langgegangen?»
«Ich nicht, aber mein Mann, glaube ich.»
«Es ist ein Rundgang von ungefähr zwei Kilometern, ein perfekter Abendspaziergang. Aber glauben Sie, Hopkins wollte da langgehen?
Nein.
Sobald man bis auf zwanzig Meter an die Kirche herankam, war der Hund verschwunden! Einmal sogar für eine ganze Nacht. Nachdem das zwei-, dreimal passiert war, wollte Pottinger ihn an die Leine nehmen, aber sobald sie an diese unsichtbare Grenze kamen – ungefähr da, wo die Eiben stehen –, hat Hopkins wie wild in die andere Richtung gezogen, er hätte sich beinahe stranguliert. Pottinger hat gesagt, das arme Tier würde sich offenbar lieber erdrosseln, als diesem Pfad zu folgen.»
Mrs. Pottinger setzte ihre Brille wieder auf.
«Das ist auch so eine Geschichte, die ich dem
Brecon and Radnor Express
nicht angeboten habe, wie Sie sich denken können.»
Betty fand die Geschichte erschreckend, aber nicht überraschend. Sie hatte auf diesem Pfad nur ein einziges Mal jemanden gesehen, und das war an dem Abend gewesen, an dem sie das Kästchen gefunden hatten.
«Haben Sie versucht herauszufinden, was Ihrem Hund solche Angst eingejagt hat?»
«Natürlich. Mich hat das fasziniert, also bin ich zu Terry gegangen.»
Betty stellte fest, dass Penney offensichtlich der einzige Mann war, den Mrs. Pottinger beim Vornamen nannte – nicht mal bei ihrem eigenen Mann tat sie das.
«Das war das erste Mal, dass ich oben beim Pfarrhaus war, er hat nie Leute dorthin eingeladen. Normalerweise habe ich seine Notizen für den
Brecon and Radnor
sonntagmorgens nach dem Gottesdienst mitgenommen. Das Pfarrhaus war für einen Junggesellen natürlich viel zu groß – auch für einen verheirateten Mann, wenn er nicht gerade vier Kinder hatte. Man kann schon verstehen, warum die Kirche heute so viele Gebäude loswerden will, aber damals erwartete man noch, dass der Pfarrer standesgemäß wohnt. Allerdings war es bei Terry … na ja, es war reichlich bizarr …»
Betty erinnerte sich daran, dass Mrs. Pottingers Brief an Major Wilshire damit geendet hatte, dass Old Hindwell für sie nur noch eine «surreale Erinnerung» war.
«Seine Erscheinung war ein bisschen hippiemäßig – obwohl das Wort Mitte der Sechziger noch nicht gebräuchlich war. Als er zum ersten Mal im Ort auftauchte, schien er ganz normal zu sein. Aber nach einiger Zeit fiel doch auf, dass er seine Haare wachsen ließ und sich nicht besonders oft rasierte. Und als ich an diesem Tag ins Pfarrhaus kam – es war ungefähr um diese Jahreszeit, vielleicht ein bisschen später –, hat Terry mich in ein Empfangszimmer geführt, das so kalt und so spärlich eingerichtet war, dass esoffenkundig normalerweise nicht benutzt wurde. Ich weiß noch, dass ich meine Hand auf die Lehne eines alten Sessels gelegt habe, der sich richtig mit Feuchtigkeit vollgesogen hatte. ‹Um Himmels willen, Terry›, habe ich gesagt, ‹hier drinnen können wir doch nicht reden.› Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, Mrs. Thorogood, aber ich kann noch nicht mal
denken
, wenn es kalt ist.»
Betty lächelte. In dieser Küche voller Bücher herrschte eine drückende Wärme.
«Terry war total erleichtert und hat mich in sein Wohnzimmer geführt. Und wenn ich
Wohn
zimmer sage … da drin waren nicht nur sein Sessel und sein Schreibtisch, sondern auch sein Bett, das übrigens nur aus einem Schlafsack bestand. Dieser eine Raum war Terrys ganze Wohnung. Dort campierte er. Das ganze restliche Haus war unbenutzt, abgesehen von der Küche. Wahrscheinlich hat
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