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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Zeit, wie Sie sich vorstellen können. Hier überschlagen sich die Ereignisse.»
    Als er sich hinter seinem Schreibtisch niederließ, registrierte Merrily das Bild an der Wand hinter ihm, über dem Kamin. Es war William Blakes
Der große Rote Drache und die Frau, mit der Sonne bekleidet
. Sexuell aufgeladen, schrecklich abstoßend. Ellis bemerkte ihren Blick.
    «Scheußlich eindeutig, nicht? Das Böse strahlt geradezu heraus. Ich lebe damit, damit sie wissen, dass ich keine Angst habe, wenn sie durch die Fenster hereinsehen.»
    Sie? Die Kommandozentrale?
    Merrily setzte sich, ihre Jacke behielt sie an.
    «Und   …», sagte er, als würde er sich sehr anstrengen, etwas Interesse aufzubringen. «Sie sind, hm   … tut mir leid, ich hab es mir aufgeschrieben.»
    «Beraterin für spirituelle Grenzfragen.»
    Noch nie hatte es sich lächerlicher angehört.
    «Und der Bischof von Ludlow hat Sie geschickt, um mich zu
unterstützen
. Na dann, hier bin ich» – er breitete die Arme aus   –, «ein demütiges Gefäß für den Heiligen Geist. Haben Sie je wirklich den Heiligen Geist erfahren, Merrily?»
    «Auf meine Weise.»
    «Mit andern Worten, nein», sagte er. «Es geschieht nicht auf
Ihre
Weise, es geschieht auf
Seine
Weise.»
    «Verdammt», sagte Merrily. «Da haben Sie recht.»
    Er sah sie mit einem halben Lächeln auf seinen breiten Lippen an.
    «Beraterin für   … spirituelle   … Grenzfragen. Sie sind wahrscheinlich wie diese jungen weiblichen Abgeordneten im Parlament   … wie nennen sie die   … Blair’s Babes? War wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis die auch in Kirchenämter kommen.»
    «Wie der Holzwurm.»
    Er sagte nichts. Sein Halblächeln war verschwunden.
    «Soll heißen, dass ich halbwegs präsentabel aussehe», sagte Merrily, «auch wenn ich verdammt nochmal alles wissen muss.»
    «Und Sie haben das Gefühl, ab und zu fluchen zu müssen, um zu zeigen, dass die Geistlichkeit nicht mehr unbedingt altmodisch und frömmlerisch sein muss.»
    «Meine Güte», sagte Merrily, «Sie brauchen wohl nicht lange, um jemanden einzuschätzen.»
    Endlich lächelte Ellis. «Wir kommen hier nicht gerade gut voran, oder? Wollen Sie mich überhaupt wirklich ‹unterstützen›? Andere Pfarrer wollen das jedenfalls nicht, weil ich Fundamentalistbin. So nennt die Anglikanische Kirche jemanden, der wahrhaftig an den lebendigen Gott glaubt.» Er lehnte sich zurück. «Tut mir leid. Fangen wir noch mal von vorne an. Wie wollen Sie mich unterstützen?»
    «Wie wollen Sie denn unterstützt werden?»
    «Indem ich in Ruhe gelassen werde, würde ich sagen.»
    «Dachte ich mir schon, dass Sie das sagen würden.»
    «Sind Sie aber schlau.»
    Er sah sie nicht an, sondern durch sie hindurch, als hätte sie für ihn überhaupt keine Bedeutung – oder jedenfalls nicht genug, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Es ärgerte sie, aber das beabsichtigte er ja auch.
    «Hm   … Sie sagten ‹Kommandozentrale›.»
    «Ja.»
    «Und offensichtlich sind hier eine Menge Leute Ihrer Meinung.»
    «Ja.»
    «Es
wirkt
ja auch alles sehr dramatisch.»
    «Bei Ihnen klingt das, als ginge es nur um die Fassade. Es ist aber eine echte Glaubensbekundung. Und das ist nur der Anfang, es wird sich ausbreiten. Wenn Sie gehen, werden Sie schon doppelt so viele Kerzen in den Fenstern sehen.»
    «Ist es nicht ein bisschen   … voreilig, hier einen Krieg zu erklären? Ein Zeitungsartikel? Zwei Amateurhexen in einer stillgelegten Kirche? Es sei denn   …»
    Er widmete ihr ein kleines bisschen mehr Aufmerksamkeit. «Es sei denn?»
    «Es sei denn, das Ganze reicht weiter zurück als nur bis zur
Daily Mail
von heute.»
    «Es reicht über zweitausend Jahre zurück, Merrily. ‹Der Satyr wird nach seinen Gefährten rufen! Die Nachtgottheit wird auch dort herbergen und ihre Ruhestatt dort finden.›»
    «Jesaja.» Merrily erinnerte sich an Pfarrer Gemmell, den Betriebskaplan aus dem
Livenight -
Studio, der wollte, dass sie Ned Bain vor sieben Millionen Zuschauern als Vertreter des Teufels bezeichnete. «Soll heißen, ob sie wollen oder nicht, alle, die an heidnische Götter glauben, bereiten dem Teufel eine Heimstatt.»
    «In diesem Fall», sagte Ellis, «um bei der Metaphorik von Radnor Forest zu bleiben, ein Nest für den Drachen.»
    «Weil die frühere Kirche hier dem heiligen Michael gewidmet war?» Merrily betrachtete den Blake-Druck, auf dem der obszöne, gehörnte, beherrschende Drache eigentlich nicht rot war, sondern eher die Farbe eines

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