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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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ungefähr fünfzig Kilometer von Kington entfernt? Sie haben ihr Auto aus einem der Stauseen gezogen.»
    «Oh Gott.»
    «Ein Bauer hat es unter der Wasseroberfläche schimmern sehen. Ist geradewegs durch einen Zaun gefahren. Die Dyfed-Powys-Polizei hat Taucher runtergeschickt. Als ich zuletzt nachgefragt hab, vor zehn Minuten, hatten sie noch keine Spur von ihr gefunden. Ich hab keine Ahnung, wie die Strömungen in diesen Stauseen sind. Tut mir sehr leid, dass ich Ihnen das sagen muss, aber ich dachte, Sie wollen es sicher wissen.»
    «Ja. Danke.»
    «Wenn ich was höre, melde ich mich. Oder, wenn
Sie
was hören – es kommt ja vor, dass Leute   …»
    «Was? Sie glauben, sie könnte ihren eigenen Tod vorgetäuscht haben?»
    «Nein. Ich bin Pessimist», sagte Mumford. «Ich glaube eher, dass sie noch vor Einbruch der Dunkelheit eine Leiche aus dem See holen.»
     
    Der Waldweg führte zu einem weiten Feld, das einen unerwarteten Blick über das Tal bot, bis hin zu den graugrünen und braunen Hügeln des Radnor Forests, die Gomer fast alle beim Namen nennen konnte.
    Es waren seltsame Namen: der Whimble, der Smatcher, der Black Mixen. Verheißungsvolle, englisch klingende Namen, obwohl die Hügel in Wales lagen. Merrily und Gomer blieben einen Augenblick im Wagen sitzen und nahmen die Aussicht in sich auf: kein Bauernhof, keine Hütte, nicht mal eine Scheune war zu sehen. Sie erinnerte sich daran, was Barbara Buckingham ihr über ihre ärmliche Kindheit erzählt hatte – die Teebeutel, die sechs Mal benutzt wurden, das Fett in der Fritteuse, das nur an Weihnachten erneuert wurde. Als sie am Rande des Feldes aus dem Auto stiegen, hielt sie inne, um ein stilles Gebet für Barbara zu sprechen.
    Sie holte Gomer an dem neuen Zaunübertritt ein, den Nev für die Archäologen aufgestellt hatte, wie Gomer sagte. Hier wurde aus dem Fahrweg ein Fußweg, der am Hindwell-Fluss entlangführte. Der Fluss rauschte nach all dem Regen unerwartet schnell und breit dahin. Es hatte aufgehört zu regnen, aber die niedrig hängenden dunklen Wolken ließen vermuten, dass es bald wieder anfangen würde. Gomer deutete über den Fluss und rief: «Da war ma ’ne zweite Brücke, aber jetzt kann man mit’m Auto nur noch über das Bauernhofgelände zur alten Kirche.»
    «Wo war die Ausgrabung?»
    «Dahinten. Sehnse die Erhebungen da? Hat Nev gemacht.» Erbetrachtete kritisch die Reihe von Erdhügeln. «Das hätter aber besser machen können, ziemlich uneben, nich?»
    «Sie würden gern wieder mitmachen, oder?»
    «Minnie hat’s nie gemocht», sagte Gomer schroff. «Sie würd’s immer noch nicht mögen. Bin auch zu alt.»
    «Nein, das dürfen Sie nicht mal denken.»
    Gomer schnaubte, wandte sich ab und führte sie durch ein Dickicht, in dem tote Bäume und Äste lagen, die einfach liegen gelassen worden waren, wo sie hingefallen waren.
    «Gehört alles Prosser – hatter geerbt, macht aber nix mehr damit. Muss froh gewesen sein, als die Ärchäologen gekommen sind – hat wahrscheinlich noch Geld dafür gekriegt, dass er sie ein Stück Land hat umgraben lassen, von dem der Mistkerl längst vergessen hatte, dass es ihm gehört.»
    «Warum hat er denn nie etwas damit gemacht?»
    «Deswegen», sagte Gomer, während sie aus dem Dickicht traten. Und dort, auf einer Erhöhung über dem jenseitigen Ufer des Flusses, lag die ehemalige Gemeindekirche von Old Hindwell, St.   Michael.
    «Gomer   …» Merrily war wie versteinert. «Sie ist   … wunderschön.»
    Das Dach des Kirchenschiffs war vollständig eingestürzt, aber der Turm schien unversehrt. Ein Sonnenstrahl tauchte die Steine zwischen Moos und Flechten in ein schimmerndes braunes, graues und rosa Licht.
    «Stadtmenschen träumen davon, sonntags in so eine Kirche zu gehen. Wie schön es hier an einem Sommerabend sein muss, mit der Spiegelung im Wasser. Wie konnten sie sich von dieser Kirche bloß trennen?»
    Gomer drehte sich eine Zigarette. «Hochwürden Penney, hab ich Ihnen doch schon erzählt. Is verrückt geworden.»
    «Wie genau ist er denn verrückt geworden?» Sie erinnerte sich,dass Bernie Dunmore am Vorabend kurz erwähnt hatte, der damalige Pfarrer habe selbst vorgeschlagen, die Kirche von Old Hindwell aufzugeben.
    Jetzt erzählte Gomer ihr mit einem gewissen Behagen, was Hochwürden Terence Penney, Pfarrer dieser Gemeinde, eines schönen Oktobertages Mitte der sechziger Jahre mit all den antiken Kirchenmöbeln gemacht hatte.
    «Wow.» Sie starrte ins Wasser und stellte sich vor,

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