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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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  Coll machte einen Schritt auf sie zu und hielt eine runde, braune Flasche mit einem Rest Flüssigkeit hoch.
    «Ist
das
Ihr Kräutertrunk, Mrs.   Thorogood?»

33
Die Widersacher
    Alle nicht von hier, nahm Gomer an. Er hatte Merrily gesagt, dass er sich nicht vorstellen könne, dass so viele Einheimische über die Hecke lugten, und er hatte recht. Es waren vielleicht fünfzig Leute – gar nicht so viele unter den Umständen   –, und nach dem, was Merrily von ihren Gesprächen hören konnte, sprachen alle mit englischem Akzent.
    Zwei Fernsehteams hielten den Marschierenden Mikrophone unter die Nase, als sie in einer Lichterprozession an Annie Smiths Haus vorbei Richtung Prosser-Hof und St.   Michael zogen. Die Journalisten stellten Fernsehfragen, mit denen sie die Stimmung anheizen wollten.
    «Aber was wollen Sie denn damit erreichen?»
    «Glauben Sie wirklich, dass zwei selbsternannte weiße Hexen die ganze Gemeinde verwünschen können?»
    «Hat nicht jeder das gesetzliche Recht, zu glauben, an was und an wen er will?»
    Die Antworten kamen in allen möglichen englischen Dialekten.
    «Das hat nichts mit dem Gesetz zu tun. Lesen Sie die Bibel. In den Augen Gottes sind das heidnische Lästerer.»
    «Warum gibt es ganze fünf Kirchen rund um Radnor Forest, die nach St.   Michael benannt wurden, dem Kämpfer gegen den Teufel?»
    Eine Frau in einem grellgelben Regenmantel hielt fünf Finger in die Kamera.
    Es gab eine größere Gruppe, die aus echten Bibelfreaks bestand. Wahrscheinlich war das für viele die erste Demonstration überhaupt, dachte Merrily. Für andere war es sicher das erste Mal, dass sie sich so stark in einer Kirchengemeinde engagierten. Es hatte mit der Isolation hier zu tun: mit dem
Bedürfnis dazuzugehören
. Eine Erfahrung, mit der sie nicht gerechnet hatten, bevor sie indie wilde, einsame Hügellandschaft von Wales umgezogen waren. Und es hatte auch mit der Tatsache zu tun, dass Nicholas Ellis ein Fanatiker von der gebildeten, ruhigen Art war.
    «Ich kann Ihnen sagen», erklärte eine lebhafte ältere Frau vor dem Mikrophon, «dass ich, bevor ich bei einem Gottesdienst von Vater Ellis war, nicht wirklich an Gott geglaubt habe, im Sinn eines übernatürlichen Wesens. Ich hatte keinen Glauben, nur so eine Art Wischiwaschi-Wunschdenken. Jetzt aber glaube ich. Ich frohlocke. Ich liebe Gott, und ich hasse und verachte seine Widersacher.»
    Merrily überkam einen Moment lang eine Unsicherheit, die sie an ihre erste Erfahrung mit dem Reden in Zungen erinnerte, die sie damals in dem Zelt in der Nähe von Warwick gemacht hatte. Was immer man von Ellis halten mochte, er hatte all diese Menschen zu Gott geführt.
    Dann dachte sie an sein schmales, metallenes Kruzifix.
    Ellis selbst beantwortete heute Abend keine Fragen, er glitt dahin, halb in einer anderen Welt, sein faltenloses, strahlendes Gesicht war ausdruckslos. Selbstsicherheit war ein großartiges Konservierungsmittel.
     
    Merrily blieb ein Stück zurück und rief Jane an.
    «Ich hab’s im Radio gehört», sagte ihre Tochter, «diese Mrs.   Buckingham ist tot, oder?»
    «Das ist noch nicht raus.»
    «Aber wenn sie tot ist, hat sie sich doch sicher nicht selbst umgebracht, oder?»
    «Das ist Sache der Polizei, mein Schatz.»
    Jane machte ein verächtliches Geräusch.
    «Die Polizei wird gar nichts machen, die haben gar nicht die Mittel. Diese Gegend hat nur deshalb die niedrigste Verbrechensrate in ganz Südengland, weil die Hälfte der Verbrechen gar nicht erst entdeckt wird, das weiß doch jeder.»
    «So jung und schon so zynisch.»
    «Ich hab den Artikel in der
Mail
gelesen. Das Ganze ist doch ein abgekartetes Spiel von den Rechten, total vorhersehbar.»
    «Glaubst du?»
    «Klar. Mom   … sag mal ganz ehrlich, ja? Hast du mit Irene gesprochen, seit wir in Worcester waren? Ich meine, hat er dir erzählt, dass ich ihn dazu gebracht hab, mich zu
Livenight
zu begleiten, indem ich ihm erzählt hab, du wüsstest Bescheid und es wäre gut für seine Karriere? Und hat er dich dann – in seiner Rolle als walisischer, bigotter Fundamentalist – gefragt, ob du weißt, dass ich mich ernsthaft für alternative Spiritualität interessiere und dass ich vielleicht in Wirklichkeit nur ein paar von den Leuten kennenlernen wollte – also die Heiden   –, und dann wart ihr beide der Meinung, dass das wahrscheinlich die Trotzreaktion eines Teenagers auf seine Pfarrerinnen-Mutter ist.»
    Das Kind musste Atem holen.
    Merrily sagte: «Meinst du, bevor

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