Die fünfte Kirche

sein, aber Danny hüpfte vermutlich ziemlich viel zu der Musik rum, bevor er sich mit einem Joint ins Heu legte.
    «Gomer, was gibt’s, Alter? Biste unter die Privatdetektive gegangen? Scheinst ja im Moment alle in die Mangel zu nehmen.»
    «O.   k., hör zu», sagte Gomer. «Gib deinem drogengeschädigten Hirn mal ’n Ruck, fällt dir noch irgendwas zu Terry Penney ein?»
    Ein paar Sekunden Stille. Ziemliche Seltenheit bei Danny, falls er nicht gerade einen tiefen Zug genommen hatte.
    «Armer Kerl», sagte er schließlich.
    «Hat ’n trauriges Ende genommen, hab ich gehört.»
    «Ich mochte ihn.»
    «Bist du zu ihm in die Kirche gegangen?»
    «
So
gern mochte ich ihn auch wieder nicht. Aber er war in Ordnung. Er hat mir seine Dylan-Alben geliehen.»
    «Wann?»
    «Vierundsechzig, fünfundsechzig. Hat das mit diesem Arsch von Ellis zu tun? Das ist ’n raffinierter Drecksack. Hat Gretas Gehirn durchgepustet, die sind alle in Trance.»
    «Warum hat er das gemacht, Danny? Warum hat Penney die guten Kirchenbänke in den Fluss geschmissen?»
    «Na ja, der war auf Drogen, oder?»
    «Hm, das sagen alle.»
    Danny erwiderte nichts.
    «Was weißt du über Penney? Was weißt du über ihn, was du mir nich sagen willst?»
    «Is lange her, Gomer. Terry ist tot. Lass den armen Kerl in Ruhe.»
    «Kann ich nich.»
    «Wegen deiner Pfarrerin, oder? Die wühlt im Dreck rum.»
    «Wir müssen das wissen, Mann.»
    «Gib mir ein, zwei Tage, ich denk drüber nach.»
    «Kann ich nich. Komm, Danny, wem soll’s denn schaden?»
    «Mir.» Dannys Stimme klang brüchig. «Ich bin genauso schuld, Gomer. Ich hab Terry dazu gebracht. Na ja   … ich und Coll.»
    «Dr.   Coll?»
    «
Ich
und Dr.   Coll», sagte Danny. «Und die verdammten sechzigerJahre, wo wir uns den Himmel auf Erden versprochen haben. Und fast vierzig Jahre später sitzen wir nur noch tiefer in der Scheiße.»
    «Bleib, wo du bist», sagte Gomer, «rühr dich bloß nicht vom Telefon weg.»
     
    Betty Thorogood fing an zu weinen. Das änderte alles. Solange sie über die Sphäre gesprochen hatte, in der sie sich auskannte, war sie gefasst und selbstsicher gewesen. Das Jenseitige   – Visionen, Götter, Urbilder – machte ihr keine Angst, so wenig, wie Neurosen einem Psychologen Angst machten. Aber die alltägliche Welt und der Tod einer harmlosen Witwe machten sie fertig.
    «Ich wollte ihr nur helfen. Sie tat mir
leid
… das war alles.»
    Jane hatte erschrocken ihren Stuhl zurückgeschoben. Hexen weinen nicht! Merrily lehnte sich über den Tisch und legte ihre Hand auf die von Betty.
    Betty strich ihre Haare zurück und sah Merrily unter Tränen an.
    «Was ist, wenn die Untersuchungen ergeben, dass in meinem Trank irgendwas Schlimmes drin war? Etwas, das ich nicht reingetan habe?»
    «Was sollen sie denn finden? Bilsenkraut? Tollkirsche? Rattengift? Das braucht er alles gar nicht. Ihm reichen natürliche Ursachen, die offenbar durch Mrs.   Wilshires übermäßiges Vertrauen zu Ihnen verstärkt wurden.»
    «Ich verstehe nur nicht, warum sie aufgehört haben soll, die Medikamente zu nehmen, die er ihr verschrieben hat. Sie fand Dr.   Coll doch so wunderbar. Sie fand   …» Bettys Augen füllten sich wieder mit Tränen. «Sie fand
jeden
wunderbar. Jeden, der versucht hat, ihr zu helfen, sie fand alle Einheimischen
so gut
. Weil sie nicht von hier war, erschien ihr jeder Einheimische, der ihr nicht gerade vor die Tür gespuckt hat, wunderbar und fürsorglich. Sie hat mirso leidgetan. Und so zu sterben, im Sessel vor dem Kamin   … Vielleicht
sagt
er ja die Wahrheit. Vielleicht hat die arme, verwirrte Mrs.   Wilshire gedacht, mein kleiner Kräutertrank wäre ein Allheilmittel.»
    «Ich kenne eine erfahrene Krankenschwester», sagte Merrily. «Vielleicht sollte ich die mal anrufen.»
    Sie unterbrach sich, als Gomer an der Tür zum Spülküchenbüro auftauchte. Seine Brillengläser reflektierten das Licht wie zwei Glühbirnen.
    «Danny is am Telefon, sprechen Sie mit ihm, Frau Pfarrer.»

40
Der Schlüssel zum Königreich
    Während Danny erzählte, formte sich vor Merrilys innerem Auge ein Bild in bunten, flirrenden Farben. Radnor Forest in den Sechzigern: ein Hippie-Paradies.
    Die Blumenkinder waren damals zu Hunderten an die Grenze gezogen. Sie mieteten oder kauften billige kleine Cottages, die halbe Ruinen waren und weitab von der Straße lagen. Magere Jungs in gelben Hosen, die Holz hackten. Schöne, langhaarige Mädchen, die in knöchellangen, pseudomittelalterlichen