Die fünfte Kirche
im Moment mit irgendwelchen spirituellen Grenzfällen zu tun?», fragte sie vorsichtig.
«Offen gesagt, meine Liebe … ich frage lieber nicht nach. Wenn es allerdings Beschwerden gibt, müssen wir wohl genauer feststellen, was in diesem trüben Teich alles herumschwimmt. Aber bis dahin … kümmern wir uns um
Livenight
.» Der Bischof öffnete seine Bierdose, und Sophie gab ihm ein hohes Glas. «Offensichtlich ist er ja als eine Art Hauptredner im Gespräch.»
«Miss Beauman hat ihn auf jeden Fall schon kontaktiert, und es sieht so aus, als hätte er zugesagt», meinte Sophie.
«Aber doch nicht im Namen der Diözese, sondern als einsamer Außenseiter, oder?», sagte Merrily.
Der Bischof zuckte die Achseln. «Man kann den Mann nicht davon abhalten, im Fernsehen aufzutreten. Vor allem darf man sich bei diesem Versuch nicht erwischen lassen.»
«Aber wenn er erst mal anfängt, über die Ausbreitung finstererSekten und die Opferung von Kindern zu reden, fällt das doch auf uns alle zurück.»
«Und dabei hatten wir nach den jüngsten Ereignissen wirklich gehofft, mal eine Weile Ruhe zu haben.»
Merrily sah in das große, ehrliche Gesicht des Suffraganbischofs von Ludlow, einer schönen alten Stadt im Süden von Shropshire, in die er sicher so schnell wie möglich zurückwollte.
«Also», Sophie schien nicht so recht zu wissen, wo sie hinsehen sollte, «Miss Beauman hat mir anvertraut, dass sie eventuell überlegen würden, Mr. Ellis wieder auszuladen, falls sie diejenige für ihre Sendung gewinnen könnten, die sie ursprünglich haben wollten …»
Unbehagliche Stille breitete sich aus. Der Bischof trank einen Schluck Bier und sah aus dem Fenster.
«Scheiße», flüsterte Merrily.
6
Unfreundlicher Himmel
«Ein Kästchen?» Lizzie Wilshire war verblüfft. Aber nicht besonders verblüfft, dachte Betty.
«Im Kamin.»
«Ich mochte diesen Kamin immer», erinnerte sich Mrs. Wilshire. «Er hatte oben diesen wunderbaren alten Balken – der war das einzig Schöne in diesem düsteren Raum.»
«Ja, das Wohnzimmer hat nicht besonders viel Charme.»
«Bryan sagte immer, dass eigentlich auch an der Decke Balken sein müssten, unter der Verkleidung. Aber den Kamin mochte ich.»
Der Kamin, an dem Mrs. Wilshire nun in ihrem Sessel saß, war hypermodern, aus geschliffenem braunen Stein, in seiner Mitte flackerten unterernährte Flammen hinter orange gefärbtem Glas.
Mrs. Wilshire runzelte die Stirn. «Er war allerdings wurmstichig.»
«Der Kasten?»
«Der Balken, Liebchen. Das hat mir immer ein bisschen Sorgen gemacht, aber dann sagte Bryan: ‹Lizzie, die Würmer brauchen mindestens dreihundert Jahre, um sich durch den ganzen Balken zu fressen.› Ich wollte trotzdem gern, dass sich jemand darum kümmert.» Sie blinzelte Betty an. «Haben Sie sich schon darum gekümmert?»
«Nein, noch nicht. Ähm, Mrs. Wilshire … dieser Kasten. Er wurde offenbar im Kamin gefunden, als Sie die Wände instand setzen ließen. Es war ein Blatt Papier drin mit einer Art … Gebet.»
«Oh!» Mrs. Wilshire schien endlich zu begreifen – sie sah mit ihren großen, leicht hervortretenden Augäpfeln aus wie eine Außerirdische, oder wie eine teure Katze. «Sie meinen das
Hexenblatt
.»
«Ja», sagte Betty sanft, «das Hexenblatt.»
Sie war gar nicht besonders alt, Anfang siebzig, schätzte Betty, aber sie hatte Arthritis in den Händen und schien ihre Hilflosigkeit einfach so hinzunehmen. Sie war es offensichtlich nicht gewöhnt, sich um sich selbst kümmern und Entscheidungen treffen zu müssen. «Es ist alles so verwirrend», sagte sie. «Es gibt so vieles, mit dem ich mich nicht auskenne. Dinge, mit denen ich mich auch gar nicht auskennen
möchte
. Warum sollte ich auch?»
Sie lebte immer noch in dem Bungalow im Kolonialstil am Rande von New Radnor, in dem sie und der Major seit fünfzehn Jahren gelebt hatten, seit seiner Pensionierung. Nur eine Übergangslösung, hatte der Major immer gesagt, bis sie das Richtige gefunden hätten … etwas Interessantes, aus dem man etwas
machen
konnte.
Sie erzählte Betty, dass sie immer gedacht hatte, er würdeirgendwann akzeptieren, dass er zu alt war, um etwas zu kaufen, das aufwendig saniert werden müsste – bis sie auf einem Sonntagsausflug in Old Hindwell das Haus entdeckt hatten, in das sich Major Bryan Wilshire zum äußersten Missfallen seiner Frau hoffnungslos verliebte.
«Es stand natürlich leer, als wir es uns ansahen. Es hatte zwei
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