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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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alleinstehenden Bauern gehört, die sehr zurückgezogen lebten. Prosser hießen die. Nachdem der eine gestorben war, wurde der andere irgendwann in ein Pflegeheim gebracht – Sie können sich also vorstellen, in welchem Zustand das Haus war.»
    Betty wusste das alles bereits, zum Teil von ihrem Makler, zum Teil hatte sie es selbst herausgefunden. Außerdem hatte sie in den Räumen, die der Major noch nicht in Angriff genommen hatte, einen Rest von Bitterkeit und Gemeinheit gespürt. Aber sie ließ seine Witwe reden.
    «Und dann diese schreckliche alte Kirche. Manche würden sie vielleicht pittoresk nennen, aber ich habe sie gehasst. Wer um alles in der Welt kann etwas mit einer ausgedienten Kirche anfangen? Außer Bryan natürlich.»
    Der Major hatte die Kirche faszinierend gefunden und begonnen, ihre Geschichte zu erforschen: wann sie zuletzt genutzt und warum sie aufgegeben worden war. Dann wurde das Haus versteigert, und wegen seines schlechten Zustands war sein Mindestpreis überraschend niedrig. Damals waren die Immobilienpreise im Keller gewesen, das war kurz vor dem jüngsten Boom, als Wochenendhäuser auf dem Land noch nicht sehr gesucht waren.
    «Für Bryan gab es keine Diskussion. Er machte ein Angebot, es wurde angenommen, und die Auktion war beendet. Bryan war entzückt. Es hatte so wenig gekostet, dass wir noch nicht mal unseren Bungalow verkaufen mussten. Er meinte, er könnte das Haus in seiner Freizeit renovieren.»
    Obwohl ein namhafter Bauunternehmer engagiert worden war,bestand Major Wilshire darauf, die Arbeiten zu überwachen. Das Problem war nur, dass Bryan ständig auf Leitern und Gerüste kletterte, um den Arbeitern genau zu zeigen, wie er es haben wollte. Lizzie wurde schon vom Zusehen schwindlig. Aber Bryan hatte genau
das
gebraucht, nachdem er bei diesem schrecklichen Regiment in Hereford gedient hatte. Wahrscheinlich die Spezialeinheit, dachte Betty und fragte sich, wie ein Mann der Tat es mit einer Frau ausgehalten hatte, der schon vom
Zusehen
schwindlig wurde.
    Zumindest war es Lizzie auf diese Weise erspart geblieben, den Unfall mitanzusehen und sich danach immer an den Anblick erinnern zu müssen. Das Unglück war durch die Kombination aus einem losen Stein unter einem Fensterschlitz im Turm, einer leichtgewichtigen Aluminiumleiter und einer starken Windbö verursacht worden.
    Zuerst hatten sie ihr gesagt, er habe nur Knochenbrüche erlitten, allerdings ziemlich viele, sodass es lange dauern würde, bis er sich erholte. Monate. Aber keine inneren Verletzungen, es hätte also schlimmer sein können. Spätestens in ein paar Wochen wäre er wieder zu Hause. Inzwischen hatte Mrs.   Wilshire beschlossen, alles dafür zu tun, dass ihr Mann niemals an diesen schrecklichen Ort zurückkehren würde.
    Aber Bryan war nicht wieder nach Hause gekommen. Der Schock oder irgendwas anderes hatte eine Lungenentzündung nach sich gezogen. Nach vier Tagen war für diesen energiegeladenen, scheinbar unverwüstlichen alten Soldaten alles vorbei gewesen.
    Auf dem Kaminsims stand ein Foto des Majors: ein drahtiger Mann mit Mütze. Er trug keine Uniform, sondern stand im Garten, auf einen Spaten gelehnt, und lächelte verhalten.
    «Es ging so schnell, so unglaublich
schnell
. Es war überhaupt keine Zeit, sich darauf vorzubereiten», klagte Mrs.   Wilshire. «Wir haben uns immer Zeit genommen, uns auf alles vorzubereiten. Bryan war ein großer Planer, nichts traf ihn jemals unvorbereitet.Wenn er mal für ein paar Tage wegmusste, kam meine Schwester zu mir, und Bryan zahlte die Rechnungen im Voraus und bestellte genug Heizöl. Er hat immer vorausgedacht.»
    Wie paradox, dachte Betty, dass ein Mann, der im Laufe seiner Karriere sicher viele Entscheidungen hatte treffen müssen, von denen Menschenleben abhingen, und der bestimmt harte und riskante Trainingslager mitgemacht hatte, durch den Sturz von einer Leiter ums Leben gekommen sein sollte.
    Und dann war er auch noch von einer Kirche gestürzt. War das auch paradox?
     
    Als der Regen stärker wurde, packte Robin die Farben und die Staffelei zusammen. Ein paar Tropfen hier und da konnten auf einem Aquarell ganz interessant wirken. Aber wenn es mehr wurden und der Wind hinzukam, hieß das ganz klar: Mach lieber ein anderes Mal weiter.
    Einen Moment lang stand er am Fuß der Ruine und beobachtete das Flüsschen, dessen Wasser etwa einen halben Meter in die Tiefe stürzte und Äste und blaue Plastiksäcke mit sich riss. Wild! Es gab einen schmalen hölzernen

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