Die fünfte Kirche
ich kannte … hm …»
«Minnie Parry.»
«Ja, ich kannte sie nicht.» Die Frau blinzelte zweimal schnell – waren das die Nerven? «Schwester Cullen hatte recht. Sie scheinen aufrichtig zu sein.»
«Oh, Sie sind aus dem Krankenhaus.»
«Nicht ganz.» Die Frau sah um sich und musterte jeden einzelnen Bauern in ihrer Nähe. Offenbar wollte sie sicher sein, dass niemand zuhörte, den sie kannte. «Barbara Buckingham. Ich war im Krankenhaus, um meine Schwester zu besuchen. Ich glaube, Sie haben sie neulich Abend gesehen – bevor ich ankam. Menna Thomas … Menna …» Ihre Stimme wurde härter. «Menna Weal.»
«Oh ja, ich habe sie gesehen, aber …»
«Aber sie war schon tot.»
«Ja. Es tut mir leid.»
«Mrs. Watkins», die Frau nahm Merrilys Arm, «kann ich mit Ihnen reden?» Das war keine Bitte. «Ich habe gestern in IhremBüro angerufen. Schwester Cullen hat mir die Nummer gegeben. Sie sagte, dass Sie mir wahrscheinlich helfen können. Weil Sie sich mit
Besessenheit
auskennen.»
«Oh.»
«Die Dame in Ihrem Büro hat mir gesagt, dass Sie hier eine Beerdigung abhalten, da bin ich einfach gekommen. Es schien mir ganz passend.» Sie unterbrach sich. Sie hatte Blicke auf sich gezogen.
«Es ist ziemlich voll hier, nicht?», sagte Merrily. «Möchten Sie vielleicht …»
«Ich möchte gleich zum Punkt kommen. Wäre es Ihnen möglich, einen Beerdigungsgottesdienst für mich abzuhalten?»
Merrily sah sie fragend an.
«Für meine Schwester, meine ich. So eine Art Gedenkfeier. Obwohl sie eigentlich … sie sollte eigentlich eine richtige Beerdigungsfeier in der Kirche bekommen. Ein angemessenes Begräbnis.»
«Entschuldigung, ich verstehe nicht ganz.»
«Weil ich nicht hingehen kann, wissen Sie. Ich kann nicht zu der … Bestattung gehen.»
«Warum nicht?»
«Weil … sie im Garten von diesem Scheißkerl stattfindet.» Ihre Stimme wurde lauter. «Er will sie nicht loslassen. Er ist besessen, Mrs. Watkins.»
«Ich weiß nicht …» Sie wurden inzwischen von mehreren der Trauergäste beobachtet.
«Hier will ein Lebender eine Tote besitzen», erklärte Barbara Buckingham, «das ist ein Fall von Besessenheit.»
«Ich denke, wir gehen besser ins Pfarrhaus», sagte Merrily.
8
Das E-Wort
«Oh Gott», sagte Betty. «Da gehe ich ein einziges Mal ohne dich weg, und sofort tritt von allen denkbaren Situationen ausgerechnet die ein, mit der du am allerwenigsten alleine klarkommst.»
Robin konnte nicht stillstehen. Er strich durch die Küche, berührte die Wände, die Türen, die Spüle, den Kühlschrank – als müsse er sich der Gegenwart seiner Umgebung versichern.
«Also, er sitzt in dem alten grünen Cherokee, ja? Und er hat diese abgetragene Armeejacke an. Und ihr Reißverschluss ist auf, und ich hoffe, dass das, was er darunter anhat, einfach nur ein schwarzer Pulli mit einem weißen Zierstreifen um den Hals ist.»
Betty zog ihren Mantel aus und setzte sich. Der Pfarrer an sich machte ihr keine Sorgen – jeder Neuankömmling bekam früher oder später Besuch vom Pfarrer. Aber wie Robin mit ihm umgegangen war …
«Es war von Anfang an völlig klar, dass er nicht nur gekommen ist, um nach dem Weg zu fragen.» Robin ging zum Küchentisch, auf dem zwei Gläser und vier kleine Bierflaschen standen, alle leer. «Der wollte reden. Er hat nur darauf gewartet, dass ich ihn reinbitte.»
«Ich nehme an, da musste er nicht lange warten.»
«Wir waren kaum drin, da hat er mir die Hand geschüttelt: ‹Hallo, ich bin Nick Ellis.› Ich hab mich gefragt, ob diese Typen wohl Bier trinken, und dann hab ich ihm eins angeboten.»
«Üblicherweise bietet man ihnen Tee an, Robin.»
«Ja, aber … man hat an seinem Akzent gehört, dass er ein paar Jahre in den Staaten war, und dann … na ja, wir …»
«Dann habt ihr euch unterhalten. Und zusammen Bier getrunken.»
«Ich hab die ganze Zeit drauf gewartet, dass er aufspringt und mir sein Kreuz ins Gesicht schleudert, wie der Typ in dem Dracula-Film. Aber er war bestens gelaunt.» Robins Hände zitterten.
Bettys Blick war skeptisch. «Was hast du ihm von uns erzählt?»
«Na ja, das war nicht ganz einfach. Ich bin nun mal ’ne ehrliche Haut, ich hab keine Zeit für Täuschungsmanöver, du kennst mich doch.»
«Was hast du ihm
erzählt
?» Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. «Was weiß er von uns?»
«Scheiße, was glaubst du denn, was ich ihm erzählt hab? ‹Hey, Priester, rate mal, was wir an Halloween gemacht
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