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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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musste manzugeben. Aber damit war Eirion aufgewachsen – sein Vater leitete Welsh Water oder so. Eirion war inmitten der walisischen Aristokratie von Cardiff groß geworden, auch wenn man das seiner Aussprache nicht anhörte.
    Als er Jane in der ersten Bank entdeckte, zog er sich still zurück und setzte sich in eine Bank auf der Nordseite der Kirche, wo früher die Frauen sitzen mussten. Eirion war tatsächlich ein netter Junge – weshalb Jane ihm wahrscheinlich in ein paar Wochen den Laufpass geben würde.
    Merrily sah auf. «Und nach seiner zweiten Tasse hat Gomer angefangen zu reden.»
     
    «Es war nur   … ich hab nur ’ne kleine Kiste mit Zeug hingeschafft, bevor meine Min da runterkommt. Die ist dann unter der großen Kiste, sozusagen. Oder ham da irgendwelche Kirchenregeln was gegen?»
    «Wenn ja», hatte Merrily gesagt und sich eine Zigarette angezündet, «kann ich die bis heute Nachmittag ändern.»
    «Is nur so Zeug, paar Hochzeitsfotos und diese weißen Plastikohrringe, die sie unbedingt immer tragen wollte, nur zur Kirche nich. Is alles nich wertvoll, nich ma die Uhren.»
    Sie hatte ihn angestarrt. Er dagegen starrte in seine Teetasse, nahm noch mehr Zucker. Sie bemerkte, dass sein Handgelenk nackt war.
    «Meine und die von Min, die ham beide neue Batterien. Laufen bestimmt noch ’n Jahr, vielleicht auch zwei.»
    Nicht lachen, warnte Merrily sich selbst. Und nicht weinen. Sie erinnerte sich an Gomers Uhr. Sie war Jahre alt, wahrscheinlich eine der ersten, die überhaupt eine Batterie hatten. Und sie tickte ziemlich laut.
    «Weiß auch nich, wieso ich das gemacht hab, Frau Pfarrer. Ergibt kein’ Sinn, was?»
    «Es ergibt wohl die Art Sinn, die keiner von uns erklären kann», sagte Merrily und sah dem Zigarettenrauch nach.
     
    «Ich möchte dazu gar nicht allzu viel sagen», sprach Merrily vor der Trauergemeinde weiter. «Ich glaube, Menschen mit meinem Beruf versuchen manchmal allzu angestrengt, allzu viel zu erklären.»
    In der Bank neben Gomer nickte Jane unübersehbar.
    «Zu den Uhren, die Tag und Nacht unter der Erde ticken und so als Symbol für das Leben jenseits des Todes stehen können, ließe sich zwar einiges sagen   … aber wenn man genauer darüber nachdenkt, gibt der Vergleich gar nicht so viel her. Ich denke, Gomer wollte einfach deutlich machen, dass er und Minnie etwas gemeinsam hatten, was der Tod nicht einfach abschalten kann.»
     
    «Wie ich das sehe, Frau Pfarrer, wenn die alten Uhren ma aufhörn zu ticken, ham wir’s beide geschafft und sin auf der andern Seite.» Gomer war sich mit beiden Händen durch das widerspenstige Haar gefahren. «Man muss weitermachen, muss verdammt nochmal weitermachen, nich?»
    «Ja.»
    «Wie war das, als Ihr Mann   … als er gestorben is?»
    «Ganz anders», sagte Merrily. «Wenn er nicht den Unfall gehabt hätte, hätten wir uns scheiden lassen. Diese Ehe war ein Fehler, wir waren zu jung – und so weiter.»
    «Und wir warn zu alt», sagte Gomer, «ich und Min. Das Problem is, dass nix im Leben   … wie heißt das Wort   … synchron läuft. Außer unsern alten Uhrn. Und ich wette, eine von denen hört vor der andern auf zu ticken.»
    Gomer rauchte eine Weile schweigend weiter. Er war Minnie Seagroves zweiter Ehemann, sie seine zweite Frau. Sie war vor ein paar Jahren mit Frank Seagrove in das ländliche Wales gezogen, dann war ihr Mann gestorben, und sie war allein in einer fremdenStadt zurückgeblieben. Merrily hatte immer noch nicht verstanden, wie genau Minnie und Gomer sich eigentlich kennengelernt hatten.
    Gomer öffnete und schloss seinen Mund ein paar Mal, als wollte er etwas Wichtiges sagen, wüsste aber nicht genau, wie.
    «Hab Ihr’n Freund Lol lange nich gesehen», sagte er schließlich – das war wohl kaum das, worüber er gerade nachgedacht hatte.
    «Er ist in Birmingham, macht einen Kurs.»
    «Ah.»
    «Psychotherapie. Er musste seine Wohnung aufgeben, und dann hat er unerwartet ein bisschen Geld von seiner alten Plattenfirma bekommen und beschlossen, es in diesen Kurs zu stecken. Halb glaubt er, er sollte Vollzeit-Therapeut werden, und halb glaubt er, das ist alles Unsinn. Aber jetzt macht er erst mal den Kurs, und dann will er sich entscheiden.»
    «Guter Junge», sagte Gomer.
    «Jane besteht darauf, sich für Lol und mich immer noch Hoffnungen zu machen.»
    Gomer nickte. Dann sagte er schnell: «Weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber ich mein, es is ja Ihr Job, uns Hoffnungen zu machen, nich? Er is gestorben,

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