Die fünfte Kirche
der Hof desGebäudes, das wohl früher eine Schule gewesen war. Auf beiden Seiten der Hauptstraße reihten sich die Wagen aneinander, blockierten Auffahrten und Eingänge, bis die Straße so schmal wurde, dass jedes weitere geparkte Auto sie unpassierbar gemacht hätte. War es möglich, dass das jeden Sonntag so war?
Sophie verlangsamte das Tempo, um eine Gruppe von Trauernden vorbeizulassen. Sie überquerten die Straße und bogen hintereinander in einen asphaltierten Weg zwischen zwei hochgewachsenen Zypressen ein.
«Die Dorfhalle», sagte Merrily unnötigerweise.
Das Gebäude stand am Hang, man konnte es nur über einen Fußweg und zahlreiche Stufen erreichen. Sophie fragte sich, wie all die Menschen in ihren Rollstühlen dort hinaufkommen sollten, die glaubten, die Gebete von Nicholas Ellis könnten sie heilen.
«Stimmt es», fragte Merrily, «dass er auch Heilungen vornimmt?»
«Ich habe ein paar Zeitungsausschnitte eingescannt und sie auf Ihrem Desktop abgelegt, aber Sie hatten sicher noch keine Zeit, sie zu lesen.» Sophie versuchte zu wenden, um in der anderen Richtung doch noch einen Parkplatz zu finden. «Ich weiß aber nicht, wie viele Leute er wirklich schon geheilt haben soll.»
«Darüber gibt es normalerweise auch keine Statistiken.»
Sophie runzelte die Stirn. «So etwas passt irgendwie gar nicht zum Anglikanismus.»
«Nein? Und was ist mit dem Schrein des heiligen Thomas in der Kathedrale?»
«Das ist
nicht
dasselbe.»
«Warum nicht? Weil Ellis eine Zeit lang in den Staaten war?»
«Soweit ich weiß, hat er sein Handwerk bei einer extremeren Gruppe von Evangelisten gelernt.» Sophie schauderte. «Möchten Sie meinen Mantel ausleihen? Er sieht zwar nicht direkt nach Beerdigung aus, aber wenigstens …»
«Seriös?»
«Tut mir leid», sagte Sophie. «Ich meinte nicht –»
«Natürlich nicht.» Merrily lächelte, und ihr Gesicht fühlte sich dabei vor Erschöpfung so angespannt an, dass es wehtat. «Wenn mich irgendjemand anspricht, kehre ich die arme Alleinerziehende raus, die von Mr. Weal wegen Ladendiebstahls verteidigt worden ist.»
Als die Leute in den Pub kamen, hatte Gomer in Erfahrung gebracht, was man hier davon hielt, dass Menna Weal im Garten des Pfarrhauses beigesetzt werden sollte.
«Die meisten kriegen das nicht damit zusammen, wo er doch Anwalt und im Immobiliengeschäft ist», hatte Greg gesagt. «Wer will denn ein Haus mit einem riesigen Mausoleum kaufen? Man sagt, er will es seinem Neffen hinterlassen, der in seiner Firma angefangen hat, aber wer will denn in einem Haus wohnen, wenn die tote Tante im Garten liegt?»
Gomer fragte sich, wie es ihm ginge, wenn seine Min im Garten begraben läge, und kam zu dem Schluss, dass es weder für ihn noch für sie die richtige Entscheidung gewesen wäre. Auf dem Friedhof war sie wenigstens nicht allein – nicht wegen der Toten, sondern weil die Lebenden kamen und gingen.
«Aber ich vermute …», sagte Greg, «dass er das Mausoleum vom Rest des Gartens abtrennen will, durch Hecken oder so, dann ist es wie ein kleiner Park, mit einem Weg, der zum Mausoleum führt. Ich glaube, so was hat er im Sinn; einen Weal-Gedenkgarten.»
«Hat ihn denn keiner danach gefragt?»
«Meine Güte! Den
fragt
man nichts! Bei dem bekommt man schon eine gesalzene Rechnung, wenn man bloß nach der Uhrzeit fragt! Es ist, als wäre eine Wand um ihn herum, als müsste man Eintritt zahlen. Man darf ihn auch nicht mit dem Vornamen ansprechen,muss immer schön Mr. Weal sagen. Oder J. W., wenn man mit ihm befreundet ist.»
«Hat er denn viele Freunde?»
«Er kennt ’ne Menge Leute. Das ist wohl das Wichtigste bei seinem Beruf.» Greg wandte sich seinen beiden neuen Kunden zu.
Sie trugen Anzüge, jedoch keine Beerdigungsanzüge. Sie waren beide noch jung, um die dreißig. Der eine hatte einen ziemlichen Bauch und einen Dreitagebart. Er bestellte zwei Bier.
«Nicht auf der Beerdigung?», fragte Greg.
«Ach, deshalb sind hier so viele Autos.» Der Dicke bezahlte. «Muss ja jemand ziemlich Wichtiges sein.»
«Ach, das ist nicht ungewöhnlich. Hier sind jeden Sonntag ’ne Masse Autos. Ziemlich populär, unser Pfarrer. Manche fahren an die hundert Kilometer, um ihn zu hören.»
Gomer sah verblüfft auf. Die Leute waren also gar nicht wegen Menna hier, sondern gehörten zum Fanclub des Pfarrers? Verflucht noch eins.
«Warten Sie mal», sagte der Dicke mit dem Bart. «Gibt es hier
zwei
Kirchen?»
«So ähnlich», sagte Greg. «Unser
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