Die Fünfundvierzig
Pferde.
Man erwartete, den König infolgedessen ärgerlich zu sehen; keineswegs, gegen die allgemeine Erwartung fing er an, mit der allerungezwungensten Miene eine Jagdfanfare zu pfeifen, eine Zerstreuung, der er sich nur überließ, wenn er vollkommen mit sich selbst zufrieden war.
Offenbar verwandelte sich die Lust zu schweigen, die der König vom Morgen an hatte, in eine wachsende Begierde zu sprechen.
Diese Begierde wurde am Ende ein unwiderstehliches Bedürfnis; doch da der König niemand hatte, so mußte er allein sprechen.
Er verlangte zu essen, und während er aß, ließ er sich ein erbauliches Buch vorlesen.
Dann legte er große Toilette an und ging in sein Kabinett, wo ihn sein Hof erwartete.
Besonders bei Hofe fühlt man, wenn Stürme herannahen und wann sie enden; ohne daß irgend jemand gesprochen, ohne daß irgendjemand den König erblickt hatte, war jedermann gefaßt, sich nach dem zu richten, was kommen würde.
Die beiden Königinnen waren sichtbar beunruhigt.
Bleich und ängstlich grüßte Katharina und redete in kurzen, abgestoßenen Worten.
Luise von Vaudemont schaute niemand an und hörte nichts. Es gab Augenblicke, wo die arme junge Frau nahe daran war, den Verstand zu verlieren.
Der König trat ein. Er hatte ein lebhaftes Auge undeine rosenfarbige Haut; man konnte aus seinem Gesichte einen Ausdruck guter Laune lesen, der auf allen diesen düstern Gesichtern die Wirkung hervorbrachte, die ein Sonnenstrahl auf die vergilbten Gebüsche hervorbringt. Auf der Stelle war alles mit Gold, mit Purpur übergossen, in einer Sekunde erstrahlte alles.
Heinrich küßte seiner Mutter und seiner Frau mit derselben Galanterie die Hand, wie wenn er noch Herzog von Anjou gewesen wäre. Er richtete tausend Schmeicheleien an die Damen, die nicht mehr an diese Art gewohnt waren, und ging sogar so weit, daß er ihnen Zuckerwerk anbot.
»Man war unruhig über Eure Gesundheit, mein Sohn,« sagte Catharina, indem sie den König mit einer besonderen Aufmerksamkeit anschaute, als wollte sie sich versichern, daß diese Gesichtsfarbe nicht Schminke, diese schöne Laune keine Maske sei.
»Man hatte unrecht, Madame,« erwiderte der König, »ich habe mich nie besser befunden.« Und er begleitete diese Worte mit einem Lächeln, das über den Mund aller Anwesenden hinschwebte.
»Welchem glücklichen Einfluß habt Ihr diese Besserung Eurer Gesundheit zu danken, mein Sohn?« fragte Catharina mit einer schlecht verhehlten Unruhe.
»Dem, daß ich viel gelacht habe,« antwortete der König.
Alle schauten sich mit so tiefem Erstaunen an, daß es schien, als hätte der König etwas Ungeheuerliches gejagt.
»Viel gelacht? Ihr könnt viel lachen?« versetzte Katharina mit ihrer herben Miene, »dann seid Ihr glücklich.«
»So ist es, Madame.«
»Und was hat bei Euch eine solche Heiterkeit hervorgerufen?« – »Ich muß Euch sagen, Madame, daß ich gestern in Vincennes gewesen bin.«
»Ich habe es erfahren.« – »Ah! Ihr habt es erfahren?«
»Ja, mein Sohn, alles, was Euch berührt, ist mir wichtig; damit lehre ich Euch nichts Neues.« – »Nein, gewiß nicht; ich war also in Vincennes, als mir mein Vortrab bei der Rücklehr eine feindliche Armee signalisierte, deren Musketen auf der Straße glänzten.«
»Eine feindliche Armee auf der Straße von Vincennes?« – »Ja, meine Mutter.«
»Und wo dies?« – »Dem Fischteiche der Jakobiner gegenüber, bei dem Hause unserer guten Base.«
»Bei dem Hause der Frau von Montpensier?« rief Luise von Vaudemont. – »Ganz richtig, Madame, bei Bel-Esbat; ich näherte mich mutig, um die Schlacht zu liefern, und bemerkte...«
»Mein Gott! fahrt fort, Sire,« sagte die Königin wirklich unruhig. – »Oh! beruhigt Euch, Madame!«
Katharina wartete voll Angst, doch weder ein Wort noch eine Gebärde verriet ihre Unruhe.
»Ich bemerkte,« fuhr der König fort, »eine ganze Priorei von Mönchen, die unter Kriegsgeschrei die Gewehre vor mir präsentierten.«
Der Kardinal von Joyeuse lachte, der ganze Hof stimmte ein.
»Oh!« sagte der König, »lacht, lacht, Ihr habt recht, man wird lange Zeit davon sprechen.«
Während dieses Gesprächs standen nach der Etikette der Zeit alle Damen auf und entfernten sich, eine nach der andern, nachdem sie sich vor dem König verbeugt hatten; die Königin folgte ihnen mit ihren Ehrendamen.
Die Königinmutter allein blieb; es lag in der ungewöhnlichen Heiterkeit des Königs ein Geheimnis, das sie ergründen wollte.
»Ah! Kardinal,«
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