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Die Fünfundvierzig

Titel: Die Fünfundvierzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas d. Ä.
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verharren und muß ohne Verzug Aufklärung erhalten,«
    Sofort stand Henri auf und ging auf der Straße der Spur der beiden Reisenden nach; aber erst nach langem Suchen fand er ihre Spur; er erfuhr nämlich, man habe zwei Reisende sich nach einem unscheinbaren Wirtshause in der Rue du Beffroi wenden sehen. Dort gelang es ihm, Remy zu sehen, als er eben die Treppe zu seinem Zimmer hinaufstieg. Als er ihn diesmal bestimmt erkannte, gab der Graf einen Ausruf von sich, und beim Tone der Stimme des Grafen wandte sich Remy um. Zu sehr erschüttert, um sogleich einen Entschluß zu fassen, entfernte sich du Bouchage, indem er sich mit furchtbar beklommenem Herzen fragte, warum Remy seine Gebieterin verlassen, und warum er sich auf derselben Straße wie er befinde.
    Seine Gedanken rollten von Abgrund zu Abgrund. Am andern Morgen, zur Stunde der Öffnung der Tore, war er sehr erstaunt, als er erfuhr, die zwei Unbekannten hätten in der Nacht vom Gouverneur die Erlaubnis erhalten, die Stadt zu verlassen, und man habe für sie, gegen alle Gewohnheit, die Tore geöffnet.
    Auf diese Art und da sie gegen ein Uhr morgens aufgebrochen waren, hatten sie sechs Stunden vor Henri voraus. Diese sechs Stunden mußte er einbringen. Henri setzte sein Pferd in Galopp und erreichte und überholte die Reisenden in Mons.
    Er sah abermals Remy, der seinerseits ihn nicht erkennen konnte, Henri hatte eine Soldatenkasacke angezogen und ein anderes Pferd gekauft. Das mißtrauische Augedes guten Dieners hätte aber beinahe auch diese List vereitelt, und jedenfalls hatte Remys Gefährte Zeit, sein Gesicht abzuwenden, so daß es Henri auch diesmal nicht gewahren konnte.
    Doch der junge Mann verlor den Mut nicht; er fragte im ersten Wirtshaus, das den Reisenden ein Asyl gab, und da er seine Fragen mit einer unwiderstehlichen Hilfsmacht begleitete, so erfuhr er endlich, Remys Gefährte sei ein schöner, aber sehr trauriger, in sich gekehrter, nüchterner junger Mann, der nie von Müdigkeit spreche.
    Henri bebte, ein Blitz erleuchtete seinen Geist.
    »Sollte es nicht eine Frau sein?« fragte er.
    »Es ist möglich,« erwiderte der Wirt; »gegenwärtig kommen viele junge Frauen so verkleidet hier durch, um sich zu ihren Liebhabern bei der Armee in Flandern zu begeben.«
    Diese Erklärung brach Henri das Herz. War es nicht wahrscheinlich, daß Remy seine als Reiter verkleidete Gebieterin begleitete? Verhielt es sich so, so sah Henri nur Ärgerliches in diesem Abenteuer.
    Remy log also, wenn er von ihrer ewigen Trauer sprach; die Fabel von einer vergangenen unsterblichen Liebe hatte er also erfunden, um einen überlästigen Wächter zu entfernen.
    »Desto besser,« sagte Henri zu sich selbst, mehr niedergebeugt durch diese Hoffnung, als er es je durch seine Verzweiflung gewesen war, »dann wird ein Augenblick kommen, in dem ich mich dieser Frau nähern und ihr alle diese Ausflüchte vorwerfen kann, die sie, die ich in meinem Geiste und in meinem Herzen so hoch gestellt, zur gemeinen Alltäglichkeit erniedrigen; ich werde mich sodann vielleicht selbst von dem Gipfel meiner Illusionen, von der Höhe meiner Liebe herabstürzen.«
    Und der junge Mann raufte sich die Haare aus und zerriß sich die Brust bei dem Gedanken, er würde vielleicht eines Tages diese Liebe und diese Illusionen, die ihn töteten,verlieren; so wahr ist es, daß ein totes Herz mehr Wert hat als ein leeres Herz.
    In Brüssel zog Henri ernste Erkundigungen über den Feldzugsplan des Herzogs von Anjou ein. Was er hörte, machte ihn ernstlich besorgt um diesen Feldzug, an dem sein Bruder so großen Anteil hatte, und er beschloß demzufolge, seinen Marsch nach Antwerpen zu beschleunigen.
    Es war für ihn eine unsägliche Überraschung, als er Remy und seine Gefährtin hartnäckig dieselbe Straße verfolgen sah, der er folgte. Es war ein Beweis, daß beide nach demselben Ziele strebten.
    Beim Ausgange des Fleckens war Henri, im Klee verborgen, wo wir ihn gelassen, diesmal gewiß, dem jungen Mann, der Remy begleitete, ins Gesicht schauen zu können. Damit wollte er seiner letzten Ungewißheit ein Ende machen.
    Als die Reisenden an dem jungen Mann vorüberritten, den sie nicht entfernt hier verborgen wähnten, war die Dame beschäftigt, ihre Haare zu glätten, die sie nicht gewagt hatte, im Wirtshaus aufzuknüpfen.
    Henri sah sie, erkannte sie und fiel beinahe ohnmächtig in den Graben, wo sein Roß friedlich weidete. Die Reisenden ritten vorüber.
    Oh! da bemächtigte sich der Zorn des Grafen, der

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