Die Fünfundvierzig
wem? vom Prinzen von Oranien?« – Mein, von Monseigneur.«
»Wer ist dieser Monseigneur?« – »Ah! bei Gott! Ihr fragt mich zu viel, mein Herr, ich weiß es nicht; es ist nur so viel gewiß, daß man auswandert.«
»Und wer sind die Auswandernden?« – »Die Bewohner des Landes, der Dörfer, der Flecken, die weder Dämme noch Wälle haben.«
»Das ist seltsam,« sagte Remy. »Doch nicht wahr, wir können weiter reisen, da wir nach Mecheln gehen?«
»Ich glaube wohl, wenn Ihr es nicht lieber wie alle machen und nach Brüssel ziehen wollt.«Remy schaute seine Gefährtin abermals an.
»Nein, nein, wir brechen auf der Stelle nach Mecheln auf,« rief die Dame, indem sie rasch aufstand, »habt die Güte und öffnet den Stall, meine Liebe!«
Remy stand wie seine Gefährtin auf und sagte leise: »Gefahr für Gefahr; ich ziehe die vor, die ich kenne; überdies ist uns der junge Mann voran ... und sollte er etwa auf uns warten, nun so werden wir ja sehen.«
Da die Pferde nicht einmal abgesattelt worden waren, so fand sie der junge Tag an den Ufern der Dyle.
Erklärung.
Die Gefahr, der Remy so trotzte, war eine wirkliche Gefahr, denn der nächtliche Reisende sah bald, nachdem er das Dorf hinter sich hatte und noch eine Viertelmeile weiter geritten war, daß die, denen er folgte, in dem Dorfe angehalten hatten.
Er wollte nicht mehr auf seinem Wege umkehren, ohne Zweifel um seine Verfolgung so wenig wie möglich absichtlich erscheinen zu lassen; doch er legte sich in einen Kleeacker nieder, wobei er zuvor sein Pferd in einen tiefen Graben hinabsteigen ließ, wie sie in Flandern als Gehege für die Grundstücke dienen.
Infolgedessen war der junge Mann, in dem der Leser so gut wie Remy sicher schon du Bouchage erkannt hat, imstande, alles zu sehen, ohne gesehen zu werden.
Nach seiner Unterredung mit Remy auf der Schwelle des geheimnisvollen Hauses, nach dem Verluste aller seiner Hoffnungen, war Henri in das Hotel Joyeuse zurückgekehrt, entschlossen, ein Leben zu verlassen, das sich ihm so elend zeigte, und als Edelmann von Herz wie als guter Sohn, denn er hatte den Namen seines Vaters rein zu erhalten, entschied er sich zu dem glorreichen Tod auf dem Schlachtfeld.Er eilte also nach Flandern, wo sein Bruder die Ehre der französischen Waffen aufrechthielt.
Im Augenblick, als er, ganz in seine Todesträume versunken, den spitzigen Glockenturm von Valenciennes erblickte, und es acht Uhr in der Stadt schlug, gewahrte er, daß man im Begriffe war, die Tore zu schließen; er gab seinem Pferde beide Sporen und hätte, über die Zugbrücke reitend, beinahe einen Reiter niedergeworfen, der den Gurt des seinigen festzog.
Henri war keiner von den unverschämten Adligen, die alles, was kein Wappenschild hat, mit den Füßen niedertraten. Er entschuldigte sich bei dem Mann, der sich bei dem Tone seiner Stimme umkehrte und dann rasch wieder abwandte.
Von seinem eifrigen Pferde, das er vergebens anzuhalten suchte, fortgetragen, bebte Henri, als hätte er gesehen, was er nicht zu sehen erwartet.
»Oh! ich bin wahnsinnig,« dachte er, »Remy in Valenciennes, Remy, den ich vor vier Tagen in der Rue de Bussy gelassen habe; Remy ohne seine Gebieterin, denn er hatte einen jungen Menschen bei sich, wie mir scheint. In der Tat, der Schmerz bringt mein Gehirn in Verwirrung, greift mein Gesicht an, so daß sich alles, was mich umgibt, in die Form meiner starren Gedanken kleidet.« Und er ritt weiter und gelangte in die Stadt, ohne daß der Verdacht, der seinen Geist berührt hatte, darin nur einen einzigen Augenblick Wurzel faßte.
Bei dem ersten Stall, den er auf seinem Wege fand, hielt er an, warf den Zügel den Händen eines Stallknechtes zu und setzte sich auf eine Bank vor der Tür, indes man sein Zimmer und sein Abendessen bereitete. Während er aber nachdenkend auf dieser Bank saß, sah er die zwei Reisenden, die nebeneinander ritten, herbeikommen, und er bemerkte, daß der, den er für Remy gehalten hatte, häufig den Kopf umwandte. Der andere hatte das Gesicht unter dem Schatten eines breitkrempigen Hutes verborgen.Remy erblickte, als er vor dem Wirtshause vorüberkam, Henri auf der Bank und wandte abermals den Kopf ab; aber gerade diese Vorsichtsmaßregel trug dazu bei, daß er erkannt wurde.
»Oh! diesmal täusche ich mich nicht,« murmelte Henri, »mein Blut ist kalt, mein Auge klar, meine Gedanken sind frisch, und ich glaube abermals in einem der Reisenden Remy zu erkennen. Nein, ich kann nicht in solcher Ungewißheit
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