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Die Fünfundvierzig

Titel: Die Fünfundvierzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas d. Ä.
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sagte der Graf; »doch was ist das wieder?« Man hörte den Klang einer Glocke.
    »Es ist das Signal zum Abendessen für das Haus des Prinzen; werdet Ihr mit uns zu Nacht speisen, Graf?«
    »Nein, ich danke, ich fühle kein Bedürfnis, und wenn der Hunger kommt, so werde ich rufen.«
    »Wartet nicht hierauf, Herr Graf, kommt und ergötzt Euch in unserer Gesellschaft.«
    »Nein, das ist mir unmöglich.«
    »Warum?«
    »Seine Hoheit hat mir eingeschärft, daß ich mich in meinem Zimmer bedienen lasse; doch ich halte Euch nicht länger auf.«
    »Ich danke, Graf, guten Abend; bewacht unser Gespenst gut.«
    »Oh! ja, dafür stehe ich Euch, wenn sich nicht,« fügte Henri aus Furcht, zuviel gesagt zu haben, hinzu, »wenn sich nicht der Schlaf meiner bemächtigt, was mir wahrscheinlicher und gesünder vorkommt als das Bewachen von Spionen und Gespenstern.«
    »Gewiß,« sagte der Fähnrich lachend. Und er verabschiedete sich von du Bouchage.
    Kaum war er aus der Bibliothek weggegangen, als Henri in den Garten eilte.
    »Oh!« murmelte er, »es ist Remy, es ist Remy! Ich würde ihn in der Finsternis der Hölle erkennen.«
    Und der junge Mann, der seine Knie unter sich zittern fühlte, drückte seine feuchten Hände auf seine glühende Stirn.
    »Mein Gott!« sagte er, »ist es nicht vielmehr eineAusgeburt meines armen kranken Gehirns, und steht es nicht geschrieben, daß ich schlafend oder wachend, bei Tag oder bei Nacht, unablässig die beiden Gestalten wiedersehen werde, die eine so tiefe Furche in mein Leben eingegraben haben?«
    »In der Tat,« fuhr er fort, wie ein Mensch, der ein Bedürfnis fühlt, sich selbst zu überreden, »warum sollte Remy hier in diesem Schlosse beim Herzog von Anjou sein? Was sollte er hier machen? Welche Verbindung könnte der Herzog von Anjou mit Remy haben? Wie sollte er Diana verlassen haben, er, ihr ewiger Gefährte? Nein, er ist es nicht.«
    Nach einem Augenblick gewann aber eine innige, tiefe, instinktartige Überzeugung wieder die Oberhand, und er murmelte voll Verzweiflung, während er sich an die Wand anlehnte, um nicht zu fallen: »Er ist es, er ist es!«
    Als er diesen alle anderen beherrschenden Gedanken vollendete, vernahm, er abermals das scharfe Geräusch des Schließens, und obgleich dieses Geräusch beinahe unmerklich war, faßten es doch seine überreizten Sinne auf.
    Ein unbeschreiblicher Schauer durchlief den ganzen Leib des jungen Mannes. Er horchte abermals.
    Rings um ihn herrschte ein solches Stillschweigen, daß er sein eigenes Herz schlagen hörte.
    Es vergingen einige Minuten, ohne daß er etwas von dem, was er erwartete, erscheinen sah. In Ermangelung der Augen, sagten ihm indessen seine Ohren, daß sich jemand nahte. Er hörte den Sand unter Tritten krachen. Plötzlich kam es ihm vor, als sähe er an dem düsteren Grunde der Hagebuchen eine noch düsterere Gruppe sich hinbewegen.
    »Hier kommt er zurück,« flüsterte Henri; »ist er allein, ist jemand bei ihm?«
    Die Gruppe rückte nach der Gegend vor, wo der Mond einen schattenlosen Raum versilberte. In dem Augenblick, wo der Mann mit dem wollenen Rocke inentgegengesetzter Richtung diesen Raum durchschritt, hatte Henri Remy zu erkennen geglaubt. Diesmal sah Henri zwei Schatten, die sich so deutlich unterschieden, daß man sich nicht täuschen konnte. Eine tödliche Kälte stieg bis in sein Herz hinab und schien ihn in Marmor verwandelt zu haben.
    Die Schatten gingen rasch, obgleich festen Schrittes; der erste war in einen wollenen Leibrock gekleidet, und der Graf glaubte wieder, wie das erstemal, Remy zu erkennen.
    Ganz in einen großen Männermantel gehüllt, entzog sich der zweite jeder näheren Bestimmung. Und dennoch glaubte Henri unter diesem Mantel zu erraten, was niemand hätte sehen können.
    Der junge Mann stieß eine Art schmerzlichen Stöhnens aus, und sobald die beiden geheimnisvollen Personen hinter den Hagebuchen verschwunden wären, eilte er, von Gebüsch zu Gebüsch schlüpfend, denen nach, die er erkennen wollte.
    »Oh!« murmelte er, während er ihnen folgte, »mein Gott, täusche ich mich nicht, ist es möglich?«
    Gewißheit.
    Henri schlüpfte auf der dunkeln Seite der Hecke hin, wobei er die Vorsicht gebrauchte, weder auf dem Sande noch am Blätterwerk Geräusch zu machen.
    Aber wegen der gebotenen beständigen Vorsicht konnte er nicht gut sehen. Doch an der Haltung, an den Kleidern, am Gang erkannte er in dem Mann mit dem wollenen Rock immer wieder Remy. Einfache Vermutungen, für ihn

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