Die Fünfundvierzig
Abgeordneten, die ihre Entschlossenheit kannten, aber auch ihren Enthusiasmus fürchteten, drängten sich um sie.
»Meine Herren,« fuhr die Herzogin lächelnd fort, »was die Hebräer tun konnten, hat Judith allein getan; hofft! Ich habe auch meinen Plan.«
Und sie reichte den Ligisten zwei weiße Hände, die die Artigsten küßten, und entfernte sich sodann durch die Tür, durch die Mayenne weggegangen war.
»Bei Gott!« rief Bussy-Leclerc, der sich den Schnurrbart leckte und der Herzogin folgte, »das ist entschieden der Mann der Familie!«
»Uff!« murmelte Nicolas Poulain, indem er sich den Schweiß abwischte, der ihm auf die Stirn getreten war, »ich wollte, ich wäre aus allem heraus.«
Bruder Borromée.
Es war ungefähr zehn Uhr abends; die Herren Abgeordneten gingen ziemlich zerknirscht fort und bröckelten an jeder Straßenecke ab.
Nicolas Poulain, der am entferntesten wohnte, ging zuletzt allein und dachte über die peinliche Lage nach, in der er sich befand.
Der Tag war in der Tat für alle und besonders für ihn voll furchtbarer Ereignisse gewesen.
Während er in das tiefste Nachdenken versunken war und durch die enge Rue de la Pierre-au-Réal ging, sah Nicolas Poulain in der entgegengesetzten Richtung einen Jakobiner herbeilaufen, der seinen Rock bis an die Knie aufgeschürzt hatte. Einer mußte ausweichen, denn es konnten nicht zwei Christen nebeneinander in dieser Gasse gehen.
Nicolas Poulain dachte, die mönchische Demut würde ihm, dem Manne des Schwertes, die Höhe des Pflasters überlassen, doch dem war nicht so; der Mönch lief wie ein Hirsch, den man aufgetrieben; er lief so, daß er eine Mauer umgeworfen hätte, und Nicolas Poulain trat brummend, um nicht niedergeworfen zu werden, beiseite.
Nun aber begann für sie in diesem Engpaß die peinliche Lage, die zwischen zwei unentschlossenen Menschen stattfindet, die beide gern vorübergehen möchten, sich nicht hindern wollen und stets sich wieder in die Arme geführt sehen.
Poulain schwur, der Mönch fluchte, und der Kuttenmann packte, minder geduldig als der Schwertmann, diesen um den Leib, um ihn an die Wand zu drücken. Dabei und als sie schon auf dem Punkte waren, handgemein zu werden, erkannten sie sich.
»Bruder Borromée!« sagte Poulain.
»Meister Nicolas Poulain!« rief der Mönch.
»Wie geht's Euch?« fragte Poulain mit jener bewundernswürdigen Freundlichkeit und Zahmheit des Pariser Bürgers.»Sehr schlecht,« erwiderte der Mönch, der viel schwerer zu besänftigen war, als der Laie; »denn Ihr haltet mich auf, und ich habe große Eile.«
»Ihr Teufel von einem Menschen!« versetzte Poulain; »stets kriegerisch wie ein Römer! Aber wohin lauft Ihr zu dieser Stunde in solcher Hast? Brennt die Priorei?«
»Nein, aber ich ging zur Frau Herzogin, um mit Mayneville zu sprechen.«
»Zu welcher Herzogin?« – »Es gibt nur eine, wie mir scheint, bei der man mit Mayneville reden kann.«
»Was wolltet Ihr bei Frau von Montpensier machen?« – »Ei! Mein Gott!« erwiderte Borromée auf eine scheinbare Antwort bedacht, »unser ehrwürdiger Prior sollte auf die Bitte der Frau von Montpensier deren Gewissensrat werden; doch es hat ihn ein Skrupel erfaßt, und er weigert sich, dem Gesuch zu entsprechen. Die Zusammenkunft war auf morgen bestimmt, und ich soll nun im Auftrag Dom Modeste Gorenflots der Herzogin sagen, sie könne nicht auf ihn rechnen.«
»Sehr gut, aber, mein lieber Bruder, Ihr seht mir nicht aus, als ginget Ihr nach dem Hotel Guise; ich sage sogar noch mehr, Ihr wendet ihm den Rücken zu.« – »Das ist wahr, denn ich komme davon her.«
»Aber wohin geht Ihr?« – »Man hat mir im Hotel gesagt, die Frau Herzogin mache einen Besuch bei Herrn von Mayenne, der diesen Abend angekommen sei und im Hotel Saint-Denis wohne.«
»Reine Wahrheit... der Herzog ist wirklich im Hotel Saint-Denis, und die Frau Herzogin bei ihm; aber, Gevatter, ich bitte Euch, wozu soll es nützen, daß Ihr den Schlauen gegen mich spielt? Der Säckelmeister ist es gewöhnlich nicht, den man die Kommissionen des Klosters besorgen läßt.« – »Bei einer Prinzessin, warum nicht?«
»Und Ihr, der Vertraute Maynevilles, glaubt nicht an die Beichten der Frau Herzogin von Montpensier?« – »Woran sollte ich denn glauben?«»Was, zum Teufel, mein Lieber, Ihr wißt wohl, wie weit die Mitte der Straße von der Priorei entfernt ist, da Ihr es mich habt ausmessen lassen; nehmt Euch in acht! Ihr sagt mir so wenig, daß ich vielleicht zu viel
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