Die Fünfundvierzig
Anjou zu Hilfe geschickt und sende zugleich einen Boten mit einem Brief an Heinrich von Navarra. Es sei ein gewisser Briquet, den er seinem sonderbaren Aussehen nach beschrieb.
»Gottes Tod! Den Brief müssen wir haben,« rief der Herzog und fügte hinzu: »Ihr sagt, er sei ein Freund des Priors?« – »Ja, von der Zeit her, wo dieser noch einfacher Mönch war.«
»Oh! ich habe einen Verdacht und werde mir Aufklärung verschaffen,« rief Mayenne.
»Tut das geschwinde, denn weit geschlitzt, wie er ist, muß dieser Bursche tüchtig marschieren.«
»Borroville,« sagte Mayenne, »Ihr werdet nach Soissons abreisen, wo mein Bruder ist.«
»Aber die Priorei, gnädigster Herr?« – »Seid Ihr so verlegen, Dom Gorenflot eine Geschichte zu erzählen? Glaubt er nicht, was Ihr ihn glauben machen wollt? Ihr sagt Herrn von Guise alles, was Ihr von der Sendung des Herrn von Joyeuse wißt.« – »Gut, Monseigneur.«
»Und Navarra, vergeßt Ihr Navarra, Mayenne?« sagte die Herzogin. – »Ich vergesse es so wenig, daß ich dies selbst übernehme,« erwiderte Mayenne. »Man sattle mir ein frisches Pferd, Mayneville.«
Dann fügte er leise hinzu: »Sollte er noch leben?... Oh! ja, er muß leben!«
Chicot der Lateiner.
Man erinnert sich, daß Chicot nach der Entfernung der jungen Leute raschen Schrittes marschiert war. Sobald sie aber an einem Abhange verschwanden, blieb Chicot, der wie ein Argus das Vorrecht, von hinten zu sehen, zu haben schien, auf dem Höhepunkte des Hügels stehen, schaute spähend ringsum, und als er sicher war, daß ihn niemand beobachtete, setzte er sich an den Rand eines Grabens, lehnte den Rücken an einen Baum und fing das an, was er seine Gewissensprüfung nannte.
Er hatte zwei Börsen, denn es war ihm nicht entgangen, daß der ihm von Sainte-Maline übergebene Beutel außer dem königlichen Brief gewisse runde, rollende Gegenstände enthielt, die ungemein Gold oder gemünztem Silber glichen. Der Beutel selbst war eine wahre königliche Börse, mit zwei H bezeichnet, von denen das eine unten, das andere oben aufgestickt.
»Das ist hübsch,« sagte Chicot, indem er die Börse betrachtete, »das ist reizend vom König! Sein Name, sein Wappen! Man kann nicht großmütiger und nicht alberner sein. Sehen wir zuerst, wieviel Geld in der Börse ist, den Brief untersuchen wir hernach... hundert Taler, geradedie Summe, die ich von Gorenflot entlehnt habe... Das ist in der Tat königlich. Ah! ich bitte um Verzeihung, wir wollen nicht verleumden. Hier ist ein kleines Päckchen spanisches Gold... fünf Quadrupel... äußerst delikat; sehr hübsch, Henriquet! Diese Börse belästigt mich; es kommt mir vor, als müßten die Vögel, die über meinem Kopfe hinfliegen, mich für einen königlichen Sendboten halten und verspotten oder, was noch schlimmer ist, mich den Vorübergehenden als solchen angeben.«
Chicot leerte seine Börse in seine hohle Hand, zog aus seiner Tasche den einfachen linnenen Sack Gorenflots, schob das Gold und das Silber hinein und sagte zu den Talern: »Ihr könnt ruhig beisammen bleiben, meine Kinder, denn ihr kommt aus demselben Land.«
»Das ist für mich,« sagte Chicot, »nun wollen wir für Heinrich arbeiten.«
Und er nahm den Brief des Königs, den er auf den Boden gelegt hatte, um den Beutel leichter in das Wasser zu schleudern. Doch es kam des Weges ein mit Holz beladener Esel, den zwei Frauen führten, und der so stolz einherschritt, als ob er statt des Holzes Reliquien trüge.
Chicot verbarg den Brief unter seiner breiten Hand, die er auf den Boden gestützt hatte, und ließ sie vorüberziehen. Sobald er wieder allein war, nahm er den Brief, zerriß den Umschlag und zerbrach das Siegel mit der unstörbarsten Ruhe. Dann nahm er den Umschlag wieder, rollte ihn zusammen, zermalmte das Siegel zwischen zwei Steinen und schleuderte alles dem Beutel nach.
»Nun wollen wir uns einmal den Stil betrachten,« sagte Chicot.
Und er entfaltete den Brief und las: »›Teuerster Bruder, die tiefe Liebe, die unser teuerster Bruder, der selige König Karl IX., für Euch hegte, wohnt noch unter den Gewölben des Louvre und hält beharrlich stand in meinem Herzen.‹
Chicot verbeugte sich.
»Es widerstrebt mir auch, daß ich über traurige, ärgerliche Dinge mit Euch sprechen muß; doch Ihr seid stark im Mißgeschick; ich zögere daher nicht, Euch diese Dinge mitzuteilen, die man nur mutigen und erprobten Freunden sagt.«
Chicot unterbrach sich mit einer abermaligen
Weitere Kostenlose Bücher