Die Furcht des Weisen / Band 1
»Kvothe wollte für seine Liebste einen Ring herausholen«, zwitscherte er frohgemut.
Mola wandte sich voller Zorn zu mir um. »Was fällt dir ein, mir ins Gesicht zu lügen!«, sagte sie und funkelte mich an wie eine wütende Katze. »Von wegen meine Intelligenz nicht beleidigen!«
Ich atmete tief durch und nahm das Thermometer aus dem Mund. »Verdammt noch mal, Sim«, sagte ich verärgert.
Er blickte zwischen Mola und mir hektisch hin und her und lief vor Verlegenheit rot an. »Kvothe ist verknallt in ein Mädchen drüben in Imre«, versuchte er zu erklären. »Ambrose hat ihr einen Ring weggenommen und will ihn ihr nicht wiedergeben. Wir haben einfach nur –«
Mola schnitt ihm mit einer energischen Handbewegung das Wort ab. »Und wieso hast du mir das nicht gleich gesagt?«, fragte sie gereizt. »Es ist doch allgemein bekannt, wie sich Ambrose Frauen gegenüber verhält.«
»Eben darum habe ich es dir nicht gesagt«, erwiderte ich. »Es hätte sich doch angehört wie eine nur allzu naheliegende Lüge. Und außerdem geht dich das verdammt noch mal überhaupt nichts an.«
Ihre Gesichtszüge verhärteten sich. »Du klingst ganz schön großkotzig für jemanden, der –«
»Stopp! Hört auf!«, sagte Wilem und riss uns damit aus unserem Streit heraus. Dann wandte er sich an Mola. »Als Kvothe hier bewusstlos eingeliefert wurde – was hast du da als Erstes getan?«
»Mir seine Pupillen angesehen, um festzustellen, ob er ein Schädel-Hirn-Trauma hat«, erwiderte sie. »Was hat das hiermit zu tun?«
Wilem deutete in meine Richtung. »Dann schau dir jetzt mal seine Augen an.«
Mola tat es. »Sie sind dunkel«, sagte sie, und es klang erstaunt. »Dunkelgrün.«
Wil fuhr fort: »Du solltest dich lieber nicht mit ihm streiten, wenn seine Augen so dunkel sind. Dabei kann nichts Gutes herauskommen.«
»Das ist wie das Geräusch, das eine Klapperschlange macht«, sagte Sim.
|253| »Eher wie wenn ein Hund sein Fell sträubt«, sagte Wilem. »Daran erkannt man, dass er jeden Augenblick zubeißen kann.«
»Ihr könnt mich alle mal kreuzweise«, sagte ich. »Oder ihr gebt mir mal einen Spiegel, damit ich sehen kann, worüber ihr redet. Entweder das eine oder das andere, mir egal.«
Wil ignorierte es. »Unser kleiner Kvothe hier neigt ein bisschen zu plötzlichen Wutausbrüchen, aber wenn man ihm ein wenig Zeit lässt, sich zu beruhigen, wird er die Wahrheit schon einsehen.« Wilem sah mich eindringlich an. »Er ist nicht so aufgebracht, weil du ihm nicht vertraut hast – oder weil du Sim ausgetrickst hast. Er ist aufgebracht, weil du jetzt mal mitgekriegt hast, zu was für aberwitzigen Eseleien er bereit ist, nur um einer Frau zu imponieren.« Er sah mich an. »Und das Wort ›Eselei‹ habe ich hier durchaus mit Bedacht gewählt.«
»Mir war auch so klar, dass ihr mit ihm unter einer Decke steckt«, sagte Mola, und es klang ein wenig entschuldigend. »Ihr seid wirklich dicke Freunde. Und dümmer, als die Polizei erlaubt.« Sie ging um mein Bett herum und betrachtete noch einmal meinen verletzten Ellenbogen. »Wer von euch hat den genäht?«
»Ich«, sagte Sim und verzog das Gesicht. »Und ich weiß, ich hab’s verbockt.«
»›Verbockt‹ wäre noch sehr freundlich ausgedrückt«, erwiderte Mola. »Es sieht aus, als hättest du versucht, deinen Namen hineinzusticken und hättest dich dabei mehrfach verschrieben und wieder neu angesetzt.«
»Ich finde, er hat das ganz gut gemacht«, sagte Wil und sah ihr in die Augen. »Wenn man bedenkt, dass er keinerlei Ausbildung in so was hat und unter alles andere als idealen Bedingungen einfach nur einem Freund helfen wollte.«
Mola wurde ein wenig rot. »So habe ich das nicht gemeint«, sagte sie. »Wenn man hier in der Mediho arbeitet, vergisst man leicht, dass nicht jeder …« Sie wandte sich an Sim. »Tut mir leid.«
Sim fuhr sich mit einer Hand durchs rotblonde Haar. »Ach, das kannst du leicht wieder gut machen«, sagte er und grinste jungenhaft. »Wie wär’s gleich morgen? Darf ich dich zum Mittagessen einladen?« Er sah sie hoffnungsfroh an.
|254| Mola verdrehte die Augen und seufzte, halb belustigt, halb verzweifelt. »Also gut.«
»So, ich habe hier nichts mehr zu tun«, sagte Wil in ernstem Ton. »Ich gehe. Mir graust vor diesem Haus.«
»Danke, Wil«, sagte ich.
Er hob nur noch kurz die Hand zum Gruß und schloss dann die Tür hinter sich.
Mola erklärte sich schließlich bereit, meine verdächtigen Verletzungen in ihrem Bericht nicht zu
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