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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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»Ich bin ohnmächtig geworden?«
    »Kilvin sagte, du seist in einem überheizten Raum gewesen«, |250| sagte Mola. »Du hattest deine Kleider durchgeschwitzt. Du warst klatschnass.« Sie deutete zu einem Tisch hinüber, auf dem meine Sachen lagen.
    »Kreislaufkollaps aufgrund von Überhitzung?«, sagte ich.
    Mola hob eine Hand, um mich zum Schweigen zu bringen. »Das war meine erste Diagnose«, sagte sie. »Nach eingehenderer Untersuchung bin ich aber zu dem Schluss gelangt, dass du an akuter Heut-Nacht-aus-einem-Fenster-Gesprungeritis leidest.« Sie sah mich eindringlich an.
    Nun wurde ich verlegen. Nicht nur, weil ich quasi nackt vor ihr lag, sondern auch wegen der augenfälligen Verletzungen, die ich mir beim Sturz vom Dach des GOLDENEN PONY zugezogen hatte. Ich blickte zur Tür und sah zu meiner Erleichterung, dass sie geschlossen war. Mola stand vor mir und musterte mich mit betont neutralem Gesichtsaudruck.
    »Hat das sonst noch jemand gesehen?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Wir hatten heute alle viel zu tun.«
    Ich atmete auf. »Ein Glück.«
    Ihre Miene wurde zornig. »Arwyl hat heute Morgen Anweisung gegeben, alle verdächtigen Verletzungen zu melden. Der Grund dafür ist kein Geheimnis. Ambrose hat eine hohe Belohnung ausgesetzt, die derjenige erhält, der ihm bei der Ergreifung eines Diebes hilft, der in seine Gemächer eingebrochen ist und mehrere Wertsachen gestohlen hat, darunter auch einen Ring, den er von seiner Mutter auf ihrem Sterbebett bekommen hat.«
    »Dieser Scheißkerl«, sagte ich. »Ich habe ihm nichts gestohlen.«
    Mola hob eine Augenbraue. »Du streitest es also nicht mal ab? Du … gibst es einfach zu?«
    Ich schnaubte und bemühte mich, meine Wut in den Griff zu bekommen. »Ich will deine Intelligenz nicht beleidigen. Es ist ja offensichtlich, dass ich nicht irgendeine Treppe hinuntergefallen bin.« Ich atmete tief durch. »Mola. Schau mal. Wenn du irgendjemandem davon erzählst, werden sie mich rausschmeißen. Ich habe nichts gestohlen. Ich hätte es tun können, aber ich habe es nicht getan.«
    »Und wieso bist du dann überhaupt …« Sie zögerte, es war ihr offenkundig unangenehm. »Was hattest du da zu suchen?«
    |251| Ich seufzte. »Würdest du mir glauben, wenn ich dir sagen würde, dass ich damit lediglich einer Freundin einen Gefallen tun wollte?«
    Sie sah mich mit prüfendem Blick an. »Na ja, Gefallen zu tun scheint ja in letzter Zeit deine Hauptbeschäftigung zu sein.«
    »Wie bitte?«, fragte ich. Mein Hirn war immer noch zu träge, um ihr folgen zu können.
    »Als du das letzte Mal hier warst, habe ich dich wegen Verbrennungen behandelt, nachdem du Fela aus einem Feuer gerettet hattest.«
    »Ach so, das«, sagte ich. »Aber das war doch kein Gefallen. Das hätte doch jeder getan.«
    Mola sah mich fragend an. »Das glaubst du wirklich, nicht wahr?« Sie schüttelte den Kopf, nahm dann ein Notizbuch zur Hand und schrieb etwas hinein. Es war vermutlich ihr Behandlungsbericht. »Also ich nenne es einen Gefallen. Fela und ich, wir haben uns ein Etagenbett geteilt, als wir neu an der Uni waren. Und entgegen deiner Auffassung kann ich dir versichern: Nicht viele Leute hätten das getan.«
    Es klopfte, und Sim rief: »Dürfen wir reinkommen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete er die Tür. Im Schlepptau hatte er den beklommen dreinblickenden Wilem.
    »Wir haben gehört …« Sim hielt inne und sah Mola an. »Er wird doch wieder gesund, nicht wahr?«
    »Ja, wird er«, sagte sie. »Vorausgesetzt, seine Temperatur normalisiert sich wieder.« Sie nahm ein Fieberthermometer und steckte es mir in den Mund. »Ich weiß, das ist schwer für dich, aber du musst jetzt mal eine Minute lang die Klappe halten.«
    »Wenn das so ist …«, sagte Simmon und grinste. »Wir haben gehört, dass sich Kilvin mit dir in sein Privatbüro zurückgezogen hat. Da soll er dir dann was gezeigt haben, bei dessen Anblick du in Ohnmacht gefallen bist – wie ein kleines Mädchen.«
    Ich warf ihm einen finsteren Blick zu, hielt aber den Mund.
    Mola wandte sich an Wil und Sim. »Er wird noch eine Zeit lang Schmerzen in den Beinen haben, aber er hat keine bleibenden Schäden davongetragen. Sein Ellenbogen dürfte auch wieder vollkommen verheilen, auch wenn er miserabel genäht wurde. Was wolltet ihr denn überhaupt in Ambroses Gemächern?«
    |252| Wilem sah sie einfach nur an, stoisch und mit dunklem Gesichtsausdruck, wie es so seine Art war.
    Mit Sim hingegen hatte ich nicht so ein Glück.

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