Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
»Befriedigt dich diese Arbeit, Re’lar Kvothe?«
    »Es sind ganz einfache Projekte, Meister Kilvin«, sagte ich.
    »Du bist jetzt Re’lar«, sagte er, und es klang sehr vorwurfsvoll. »Bist du wirklich damit zufrieden, ambitionslos vor dich hin zu dümpeln und Spielzeug für reiche Faulpelze zu bauen?«, fragte er. »Ist es das, was du von deiner Zeit im Handwerkszentrum erwartest? Leichte Arbeit und schnell verdientes Geld?«
    Ich spürte, wie mir der Schweiß den Rücken hinunterrann. »Ich traue mich nicht mehr so recht, eigene Projekte anzufangen«, gestand |248| ich. »Mit den Modifikationen, die ich an meiner Handleuchte vorgenommen habe, wart Ihr ja alles andere als zufrieden.«
    »Das sind die Worte eines Feiglings«, sagte Kilvin. »So redet jemand, der sein Leben lang nicht mehr vor die Tür geht, nur weil er auf der Straße einmal angeschnauzt wurde.« Er sah mich an. »Ich frage dich noch einmal: Glöckchen … Gusswaren … Befriedigt dich diese Arbeit, Re’lar Kvothe?«
    »Mich befriedigt der Gedanke, dass ich die Studiengebühren des nächsten Trimesters davon bezahlen kann, Meister Kilvin.« Nun lief mir der Schweiß am Gesicht hinab. Ich versuchte ihn mit meinem Ärmel abzuwischen, aber mein Hemd war ebenfalls schweißnass. Ich sah zur Tür.
    »Und die Arbeit selbst?«, fragte Kilvin. Auch ihm standen einige Schweißperlen auf der dunklen Stirn, ansonsten aber schien ihm die Hitze nichts auszumachen.
    »Ehrliche Antwort, Meister Kilvin?«, fragte ich. Allmählich fühlte ich mich ein wenig benommen.
    Er guckte leicht gekränkt. »Ich schätze Ehrlichkeit in allen Belangen, Re’lar Kvothe.«
    »Ehrlich gesagt habe ich dieses Jahr acht Decksleuchten gebaut. Und wenn ich auch nur noch eine einzige weitere bauen müsste, würde ich wahrscheinlich vor Langeweile durchdrehen.«
    Kilvin lachte schnaubend und schenkte mir dann ein breites Lächeln. »Ausgezeichnet. So sollte ein Re’lar das sehen.« Er richtete seinen mächtigen Zeigefinger auf mich. »Du bist klug, und du hast geschickte Hände. Ich erwarte Großes von dir, keine stumpfsinnige Akkordarbeit. Konstruiere etwas Raffiniertes, und du wirst sehn: Damit verdienst du viel mehr Geld als mit irgendwelchen Leuchten. Die solltest du den E’lir überlassen.« Er deutete mit geringschätziger Geste auf das Fenster zur Werkstatt.
    »Ich werde mein Bestes tun, Meister Kilvin«, sagte ich. Dabei klang meine Stimme seltsam – irgendwie blechern und wie aus weiter Ferne. »Dürfte ich nun die Tür aufmachen und etwas frische Luft hereinlassen?«
    Kilvin grunzte sein Einverständnis, und ich ging einen Schritt auf die Tür zu. Ich war aber mit einem Mal ganz unsicher auf den Beinen, |249| und mir drehte sich alles. Ich schwankte und wäre fast zu Boden gestürzt, doch dann gelang es mir gerade noch, mich an der Tischkante festzuhalten, und ich sank nur auf die Knie.
    Als meine verwundeten Knie aber auf dem Steinboden auftrafen, durchfuhr mich ein unerträglicher Schmerz. Aber ich schrie nicht, denn dieser Schmerz schien nur wie aus weiter Ferne zu mir zu dringen.

    Als ich wieder zu mir kam, war mein Mund trocken wie Sägemehl. Meine Augen waren verklebt und meine Gedanken so zäh, dass ich eine ganze Weile brauchte, bis ich den eigentlich unverkennbaren antiseptischen Geruch erkannte, der in der Luft lag. Zusammen mit dem Umstand, dass ich nackt unter einem Betttuch lag, verriet er mir, dass ich mich in der Mediho befand.
    Ich drehte den Kopf ein wenig und sah einen blonden Haarschopf und einen dunklen Ärztekittel. »Hallo, Mola«, krächzte ich.
    Sie wandte sich um und sah mich an. »Kvothe«, sagte sie in formellem Ton. »Wie fühlst du dich?«
    Da ich immer noch nicht ganz bei mir war, musste ich darüber erst mal nachdenken. »Benommen«, sagte ich. »Und durstig.«
    Mola brachte mir ein Glas und half mir beim Trinken. Die Flüssigkeit war süß und körnig. Es dauerte, bis ich das Glas ausgetrunken hatte, aber anschließend fühlte ich mich wieder halbwegs wie ein Mensch.
    »Was ist denn passiert?«, fragte ich.
    »Du bist im Handwerkszentrum ohnmächtig umgekippt«, sagte sie. »Kilvin hat dich höchstpersönlich hierher getragen. Es war ein rührender Anblick. Er wollte gar nicht von dir weichen. Ich musste ihn regelrecht rausschmeißen.«
    Bei der Vorstellung, wie mich der hühnenhafte Meister durch die Straßen der Universität trug, schämte ich mich durch und durch. Auf seinen Armen musste ich wie eine große Stoffpuppe ausgesehen haben.

Weitere Kostenlose Bücher