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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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»Ganz schön dumm von mir.«
    Er sah mich finster an. »Was soll das heißen?«
    Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Geh doch bitte wenigstens davon aus, dass ich halb so klug bin, wie du gehört hast«, sagte ich. »Wenn du mir das Gewünschte nicht beschaffen kannst, dann gib’s doch einfach zu, und vergeude meine Zeit nicht damit, |299| dass du es so teuer machst, dass ich es mir ohnehin nicht mehr leisten kann, oder indem du mir irgendwelche an den Haaren herbeigezogenen Ausreden auftischst.«
    Sleat schien nicht sicher, ob er gekränkt sein sollte oder nicht. »Und was erscheint dir daran an den Haaren herbeigezogen?«
    »Also bitte«, sagte ich. »Du bist bereit, gegen die Gesetze der Universität zu verstoßen und den Zorn der Meister auf dich zu ziehen. Du widersetzt dich der Polizei und trotzt dem Eisernen Gesetz von Atur. Aber wenn es um so ein kleines Mädchen geht, kriegst du weiche Knie?« Ich rümpfte die Nase und ahmte seine Geste des hinter sich Werfens nach.
    Er sah mich einen Moment lang an und brach dann in Gelächter aus. »Ja, genau so ist es«, sagte er und wischte sich Tränen der Belustigung aus den Augen. »Dann hab ich mich wohl auch von deinem Ruf täuschen lassen. Wenn du tatsächlich glaubst, Devi sei weiter nichts als ein kleines Mädchen, bist du längst nicht so klug, wie ich dachte.«
    Er sah mir über die Schulter und nickte jemandem zu, den ich nicht sehen konnte. Dann machte er eine abweisende Handbewegung. »Und jetzt fort mit dir«, sagte er. »Ich habe Geschäftliches zu regeln, und zwar mit vernünftigen Leuten, die wissen, wie es wirklich in der Welt zugeht. Du vergeudest nur meine Zeit.«
    Ich war verärgert, zwang mich aber, es mir nicht anmerken zu lassen. »Ich brauche auch noch etwas anderes«, sagte ich. »Eine Armbrust.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich hab’s dir doch schon gesagt. Keine Darlehen und keine Gefälligkeiten.«
    »Ich kann dir etwas zum Tausch anbieten.«
    Er sah mich skeptisch an. »Was für eine Art von Armbrust?«
    »Irgendeine«, sagte ich. »Es muss nichts Tolles sein. Sie muss nur funktionieren.«
    »Acht Talente«, sagte er.
    Ich sah ihn streng an. »Du willst mich wohl für dumm verkaufen. Das ist doch ein ganz alltägliches Banngut. Ich würde jede Wette eingehen, dass du das binnen zwei Stunden beschaffen kannst. Wenn du versuchst, mich über den Tisch zu ziehen, geh ich halt rüber nach Imre und lass mir von Heffron eine beschaffen.«
    |300| »Wenn du sie dir von Heffron beschaffen lässt, musst du sie aus Imre hierher tragen«, erwiderte er. »Und so was sieht die Polizei bestimmt besonders gern.«
    Ich zuckte die Achseln und machte Anstalten, vom Tisch aufzustehen.
    »Dreieinhalb Talente«, sagte er. »Aber dann ist es eine gebrauchte, dass das klar ist. Und zwar eine mit Stegreif, nicht mit Spannwinde.«
    Ich rechnete es im Kopf durch. »Wie wär’s mit einer Unze Silber und einer Spule Golddraht?«, fragte ich und zog beides aus den Taschen meines Umhangs hervor.
    Sleat übte sich ebenfalls im Kopfrechnen. »Ganz schön knapp kalkuliert. Aber gut, einverstanden.« Er nahm die Spule und den kleinen Silberblock zur Hand. »Hinter der Gerberei Grimsome steht eine leere Regentonne. Die Armbrust liegt in einer Viertelstunde darin für dich bereit.« Er guckte gekränkt. »Zwei Stunden? Du weißt wirklich überhaupt nichts über mich.«

    Stunden später in der Bibliothek tauchte Fela plötzlich zwischen den Regalen auf und ertappte mich mit einer Hand an der Tür mit den vier Kupferplatten. Ich drückte nicht etwa dagegen, nein, ich prüfte nur, ob sie tatsächlich fest verschlossen war. Sie war es.
    »Den Mitarbeitern der Bibliothek wird wahrscheinlich nicht verraten, was sich dahinter befindet, oder?«, fragte ich.
    »Mir hat es jedenfalls noch keiner verraten«, sagte Fela, kam näher und fuhr mit den Fingern über die in den Stein gemeißelten Lettern:
Valaritas
. »Ich hab mal von dieser Tür geträumt«, sagte sie. »In dem Traum war Valaritas der Name eines Königs, der schon lange tot war. Und hinter dieser Tür war seine Gruft.«
    »Unglaublich«, sagte ich. »So was Tolles träume ich nie davon.«
    »Was träumst du denn?«
    »Einmal hab ich geträumt, ich hätte ein Licht gesehen, das durch die Schlüssellöcher herausdrang«, sagte ich. »Aber meist stehe ich im Traum nur hier, starre die Tür an und versuche sie irgendwie zu öffnen. Als wäre es noch nicht frustrierend genug, immer wieder vor |301| dieser

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