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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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könnte auch am Stress liegen. Simmon meint, ich hätte wahrscheinlich immer noch ungebundene Prinzipien in mir. Was auch immer das bedeuten mag.«
    Devi blickte finster. »Ich arbeite hier nicht gerade mit der idealen Ausstattung«, sagte sie und wies auf eine geschlossene Tür. »Und es tut mir leid. Aber der Kerl hat mir eine vollständige Gesamtausgabe der
Vautium Tegnostae
angeboten.« Sie wies auf die Bücherregale. »Normalerweise hätte ich so was nie getan, aber unzensierte Exemplare sind auf normalem Wege einfach nicht zu bekommen.«
    Ich sah sie erstaunt an. »Du hast es für ihn hergestellt?«
    »Das ist doch besser, als einfach nur die Formel rauszurücken«, verteidigte sie sich.
    Ein Teil von mir war der Meinung, dass ich jetzt wütend sein sollte, der größere Teil aber war einfach nur froh, dass ich es warm und trocken hatte und nicht mehr in Lebensgefahr schwebte. Ich tat es mit einem Achselzucken ab. »Simmon hält dich übrigens für eine hundsmiserable Alchemistin«, bemerkte ich beiläufig.
    Devi sah auf ihre Hände. »Ich bin nicht stolz darauf, dass ich es verkauft habe«, sagte sie. Dann hob sie den Blick wieder und grinste. »Aber die
Tegnostae
enthalten wirklich phantastische Illustrationen.«
    Ich lachte. »Zeig mal her.«

    Einige Stunden später waren meine Kleider wieder trocken, und der Schneeregen war in sachten Schneefall übergegangen. Die große Steinbrücke war nun vermutlich vollkommen vereist, aber davon mal abgesehen würde sich mein Rückweg sehr viel angenehmer gestalten als der Hinweg.
    Als ich aus dem Badezimmer zurückkam, saß Devi wieder an ihrem Schreibtisch. Ich ging hinüber und gab ihr das Gewand zurück. »Ich werde deine Ehre nicht in Zweifel ziehen, indem ich dich frage, |446| weshalb du ein Gewand besitzt, das viel zu groß für eine so zierliche junge Dame ist.«
    Devi schnaubte nur und verdrehte die Augen.
    Ich setzte mich und zog mir die Stiefel an. Sie waren schön warm, nachdem sie am Kamin gestanden hatten. Dann zückte ich meinen Geldbeutel, legte drei Silbertalente auf den Schreibtisch und schob sie Devi hin. Sie sah sie ungläubig an.
    »Ich hab kürzlich ein bisschen Geld reinbekommen«, sagte ich. »Es ist zwar nicht genug, um meine Schulden komplett zu begleichen, aber dafür kann ich jetzt schon mal die Zinsen für dieses Trimester bezahlen.« Ich deutete auf die Münzen. »Eine vertrauensbildende Maßnahme.«
    Devi lächelte und schob mir die Münzen zurück. »Dir bleiben immer noch zwei Spannen bis zum Ende des Trimesters«, sagte sie. »Und wie gesagt: Es bleibt bei unserer ursprünglichen Abmachung. Ich hätte kein gutes Gefühl dabei, wenn ich vorzeitig Geld von dir annehmen würde.«

    Das Geld war zwar als aufrichtiges Friedensangebot gemeint gewesen, aber dennoch war ich froh, dass ich die drei Talente vorläufig behalten konnte. Es ist ein immenser Unterschied, ob man Geld in der Tasche hat oder nicht. Ein leerer Geldbeutel geht mit einem entsetzlichen Gefühl der Hilflosigkeit einher.
    Es ist wie mit dem Saatgetreide. Wenn man nach einem langen Winter noch etwas Getreide übrig hat, kann man es für die Aussaat nutzen. Damit hat man sein Leben in der eigenen Hand. Man kann das Getreide nutzen und Pläne für die Zukunft schmieden. Doch wenn man im Frühjahr kein Getreide mehr übrig hat, das man aussäen könnte, ist man hilflos, aufgeschmissen. Man kann noch so hart arbeiten und es noch so sehr hoffen: Ohne Saat wird kein Kornfeld sprießen.
    Und so kaufte ich mir etwas zum Anziehen: drei Hemden, eine neue Hose und dicke Wollsocken. Ich kaufte mir auch eine Mütze, ein Paar Handschuhe und einen Schal, um für den Winter gewappnet |447| zu sein. Für Auri kaufte ich einen Beutel Meersalz, einen Sack getrocknete Erbsen, zwei Gläser eingemachte Pfirsiche und ein Paar warme Pantoffeln. Außerdem kaufte ich mir einen Satz Lautensaiten, Tinte und ein halbes Dutzend Bögen Papier.
    Schließlich kaufte ich mir auch noch einen stabilen Fallriegel aus Messing und brachte ihn an dem Fensterrahmen in meiner Dachkammer an. Für mich war es ein Leichtes, ihn auszuhebeln, aber er würde meine wenigen Besitztümer vor Dieben schützen, auch vor den wohlmeinendsten.

|448| Kapitel 43
Ohne ein Wort
    I ch sah aus einem Schankraumfenster des ANKER’S zu, wie es schneite, und drehte dabei Dennas Ring in der Hand hin und her. Der Winter hatte die Universität mittlerweile fest im Griff, und Denna war seit über einem Monat fort. Mir blieben noch drei

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