Die Furcht des Weisen / Band 1
zu überlegen, da du ja jetzt die Hintergründe der ganzen Sache kennst«, sagte ich. »Man hatte ein Sympathievergehen gegen mich begangen, und ich musste mich vergewissern, dass sich mein Blut in Sicherheit befand.«
Ich sah sie fragend an. Devi zuckte nur die Achseln, ohne dass |443| sich ihre Ellenbogen von der Tischplatte hoben, und aus ihrem Gesicht sprach eine große Gleichgültigkeit.
»Eins kommt noch hinzu«, sagte ich und sah ihr in die Augen. »Es ist sehr wahrscheinlich, dass mein irrationales Verhalten teilweise von den Nachwirkungen einer alchemischen Vergiftung herrührte, der ich einige Zeit zuvor zum Opfer gefallen bin.«
Devis Gesicht erstarrte. »Wie bitte?«
Davon hatte sie also nichts gewusst. Das war eine Erleichterung. »Ambrose hat jemanden engagiert, der mich eine Stunde vor meiner Zulassungsprüfung mit Pflaumenschlag vergiftet hat«, sagte ich. »Und du hast ihm die Formel dafür verkauft.«
»Du hast ja vielleicht Nerven!« Ihr Elfengesicht guckte mit einem Mal empört, aber das war nicht überzeugend. Sie war aus dem Gleichgewicht und gab sich zu viel Mühe.
»Nein, was ich habe«, erwiderte ich ganz ruhig, »ist ein Nachgeschmack von Pflaume und Muskatnuss in meinem Mund und gelegentlich das irrationale Verlangen, irgendwelchen Leuten an die Gurgel zu gehen, bloß weil sie mich auf der Straße versehentlich angerempelt haben.«
Die vorgetäuschte Empörung fiel von ihr ab. »Du kannst nichts beweisen«, sagte sie.
»Ich muss auch nichts beweisen«, erwiderte ich. »Ich habe nicht das Bedürfnis, dich bei den Meistern anzuzeigen oder dich vor das Eiserne Gesetz zu zerren.« Ich sah sie an. »Ich dachte bloß, es würde dich vielleicht interessieren, dass ich vergiftet wurde.«
Devi saß ganz still da. Sie kämpfte darum, ihr Gesicht zu wahren, aber ihr schlechtes Gewissen war nicht zu übersehen. »War es schlimm?«
»Ja, war es«, sagte ich ganz ruhig.
Sie wandte den Blick ab und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe nicht gewusst, dass Ambrose dahinter steckt«, sagte sie. »Irgendein reicher Quatschkopf ist zu mir gekommen und hat mir ein Angebot gemacht, das ich einfach nicht ablehnen konnte …«
Sie sah mich wieder an. Nun, da ihr kalter Zorn verraucht war, wirkte sie erstaunlich klein. »Mit Ambrose würde ich niemals Geschäfte |444| machen«, sagte sie. »Und ich wusste nicht, dass es für dich bestimmt war. Das schwöre ich dir.«
»Für irgendjemanden war es aber bestimmt, das musste dir doch klar sein«, sagte ich.
Einen Moment lang herrschte Schweigen, und man hörte nur das Knistern des Kaminfeuers.
»Ich sehe es so«, sagte ich. »Wir haben beide in letzter Zeit etwas Törichtes getan. Etwas, das wir bereuen.« Ich zog mir das Gewand enger um die Schultern. »Diese beiden Dinge heben sich auf keinen Fall gegenseitig auf, aber mir scheint doch, dass nun ein gewisses Gleichgewicht besteht.« Ich streckte die Hände aus und hielt sie wie Waagschalen.
Devi lächelte verlegen. »Vielleicht war es voreilig von mir, die vollständige Rückzahlung zu verlangen.«
Ich erwiderte ihr Lächeln und war erleichtert. »Was hieltest du davon, wenn wir es bei den ursprünglichen Darlehenskonditionen belassen würden?«
»Einverstanden.« Sie streckte mir über den Schreibtisch die Hand entgegen, und ich schlug ein. Der letzte Rest Anspannung, der noch im Raum gestanden hatte, löste sich in Luft auf, und mir fiel ein Stein vom Herzen.
»Deine Hand ist ja eiskalt«, sagte Devi. »Komm, wir setzen uns ans Feuer.«
Das taten wir und saßen dann einige Minuten lang schweigend da.
»Bei allen Göttern«, sagte Devi schließlich und stieß einen Seufzer aus. »Ich hatte wirklich eine Stinkwut auf dich.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich schon jemals so stinkwütend auf jemanden war.«
Ich nickte. »Und ich habe nicht wirklich geglaubt, dass du so tief sinken würdest, ein Sympathievergehen zu verüben«, sagte ich. »Ich war mir ganz sicher, dass du es nicht gewesen sein konntest. Aber dann haben alle immer wieder darüber geredet, wie gefährlich du wärst, und haben mir irgendwelche Geschichten über dich erzählt. Und als du dich dann geweigert hast, mir mein Blut zu zeigen …« Ich verstummte und zuckte die Achseln.
|445| »Hast du tatsächlich immer noch Nachwirkungen von dem Pflaumenschlag?«, fragte sie.
»Ja, manchmal blitzt es immer noch kurz auf«, sagte ich. »Und ich scheine seitdem auch leichter in Wut zu geraten. Aber das
Weitere Kostenlose Bücher