Die Furcht des Weisen / Band 1
über dein Kommen unterrichtet ist.«
Ich schenkte ihm ein breites Lächeln und ergriff seinen Arm. »Vielen Dank, Denn«, sagte ich. »Für alles. Ich bin dir viel dankbarer als du ahnst.«
Threpe tat es mit einer Handbwegung ab. »Ich weiß doch, dass du dich dort blendend bewähren wirst. Du bist ein kluger Junge. Und denk dran, dir einen guten Schneider zu suchen, wenn du erst mal dort bist. Die Mode ist anders als hier. Und wie man so sagt: Eine Dame erkennt man an ihren Manieren, einen Herrn an seiner Kleidung.«
Ich bückte mich und klappte meinen Lautenkasten auf. Die Laute schob ich ein wenig beiseite und öffnete den Deckel des Geheimfachs. Dort steckte ich den versiegelten Brief hinein, und er gesellte sich damit zu dem Horn-Futteral mit Ninas Zeichnung und einem kleinen Beutel getrockneter Äpfel. Mit dem Dörrobst hatte es keine besondere Bewandtnis. Ich fand bloß, wenn man schon ein Geheimfach in seinem Lautenkasten hatte, wäre man doch nicht ganz bei Trost, wenn man es nicht nutzen würde.
Ich schloss den Kasten wieder, erhob mich, nahm mein Gepäck und war bereit, an Bord zu gehen.
Da hielt Threpe mich an der Schulter zurück. »Das hätte ich fast vergessen! Alveron hat in einem seiner Briefe erwähnt, dass sich einige junge Leute an seinem Hof dem Glücksspiel hingeben. Er hält |521| das für eine schändliche Angewohnheit, also halte dich davon fern! Und denk dran: Ein kleine Tauperiode kann eine große Flut auslösen, also sei besonders wachsam, wenn sich das Wetter langsam ändert.«
Ich sah jemanden durch den Hafen in unsere Richtung laufen. Es war der Mann mit dem verhärmten Gesicht, dem ich zuvor mit Elodin auf der Brücke begegnet war. Er trug ein Bündel unter dem Arm.
»Na, da kommt ja der fehlende Seeman«, sagte ich. »Dann gehe ich jetzt mal besser an Bord.« Ich schloss Threpe noch kurz in die Arme und wollte mich aus dem Staub machen, bevor er mich mit weiteren Ratschlägen eindecken konnte.
Doch als ich mich von ihm abwandte, hielt er mich noch einmal am Ärmel zurück. »Sei vorsichtig auf der Reise«, sagte er mit besorgter Miene. »Denk dran: Dreierlei fürchtet der Weise: Die See bei Sturm, die mondlose Nacht und den Zorn eines sanftmütigen Mannes.«
Der Mann lief an uns vorbei und im gleichen Tempo den Schiffssteg hinauf, ohne sich darum zu kümmern, dass er unter seinen Schritten mächtig zu schaukeln begann. Ich schenkte Threpe noch ein beruhigend gemeintes Lächeln und ging dem Mann dann hinterher. Zwei waschechte Seebären holten den Steg ein, und ich winkte Threpe noch ein letztes Mal zu.
Befehle wurden gebrüllt, und Männer eilten umher, und das Schiff setzte sich in Bewegung. Ich wandte mich flussabwärts, Richtung Tarbean, hin zum Meer.
|522| Kapitel 52
Eine kurze Reise
M ein Reiseweg gestaltete sich einfach. Ich wollte flussabwärts nach Tarbean fahren, dann durch die Meerenge des Schrund und an der Küste entlang in Richtung Junpui und schließlich den Arrand aufwärts. Zwar war diese Strecke länger als der Landweg, aber insgesamt besser. Selbst wenn ich Postpferde gemietet und bei jeder Gelegenheit gewechselt hätte, hätte ich über Land an die drei Spannen bis nach Severen gebraucht. Und die meiste Zeit davon wäre ich im südlichen Atur und in den kleinen Königreichen unterwegs gewesen. Nur Priester und Narren hielten die Straßen in jenem Teil der Welt für sicher.
Auf dem Seeweg musste ich zwar einige hundert Meilen zusätzlich zurücklegen, doch brauchen Schiffe nicht dem kurvigen Verlauf einer Straße zu folgen. Und man mag mit einem guten Pferd schneller vorankommen als mit einem Schiff, aber man kann nicht ohne Pause Tag und Nacht reiten. Auf dem Seeweg würde ich, günstiges Wetter vorausgesetzt, nur rund ein Dutzend Tage unterwegs sein.
Mit dem Schiff zu reisen kam zudem meiner Neugier entgegen. Ich hatte noch nie ein größeres Gewässer als einen Fluss befahren. Meine einzige Sorge war, ich könnte mich von nichts als Wind, Wellen und Matrosen umgeben langweilen.
Unterwegs ereilten uns gleich mehrere Missgeschicke.
Wir mussten uns, kurz gesagt, mit einem Sturm, Piraten, Meuterei und Schiffbruch herumschlagen, wenn auch nicht in dieser Reihenfolge. |523| Es versteht sich von selbst, dass ich dabei nicht untätig blieb. Ich handelte mutig und heldenhaft, zum Teil aber auch unbedacht.
Im Verlauf der Reise wurde ich ausgeraubt, wäre fast ertrunken und landete zuletzt ohne einen Penny auf den Straßen von Junpui und musste mir mein
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