Die Furcht des Weisen / Band 1
zufrieden wie eine sich sonnende Katze, und ich hatte die Beine hochgelegt.
|633| Da hörte ich hinter mir ein Geräusch. Ich brach mit einem klirrenden Akkord ab und sprang auf, in der Annahme, Caudicus, ein Wächter oder ein anderer Angreifer sei in mein Zimmer eingedrungen.
Stattdessen stand der Maer vor mir und lächelte verlegen wie ein Kind, das einen Streich gespielt hat. »Ich hoffe doch, die neuen Gemächer sind zu deiner Zufriedenheit?«
Ich sammelte mich und machte rasch eine Verbeugung. »Für jemanden wie mich sind sie sehr groß, Euer Gnaden.«
»Sie sind sehr klein gemessen an der Schuld, in der ich bei dir stehe«, erwiderte Alveron. Er setzte sich auf ein Sofa und gab mir mit einer gnädigen Handbewegung zu verstehen, ich solle mich ebenfalls setzen. »Was für ein Stück hast du eben gespielt?«
Ich kehrte zu meinem Stuhl zurück. »Kein richtiges Stück, Euer Gnaden. Ich habe nur so vor mich hin geklimpert.«
Der Maer sah mich erstaunt an. »Du hast es dir selbst ausgedacht?« Ich nickte, und er hob die Hand. »Aber ich wollte dich nicht unterbrechen. Spiel bitte weiter.«
»Was wollt Ihr hören, Euer Gnaden?«
»Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass Meluan Lackless gern Musik zu lieblichen Versen hört. Etwas in der Richtung also.«
»Liebliche Verse gibt es viele, Euer Gnaden.« Ich spielte die Einleitung der
Braut in Violett
. Schwerelos und von süßer Trauer erfüllt klangen die Akkorde durch das Zimmer. Dann wechselte ich zum
Lied von Sir Savien
. Virtuos zupfte ich mich durch die komplexen Harmonien und ließ sie so schwierig klingen, wie sie tatsächlich waren.
Alveron nickte vor sich hin, und seine Miene wurde immer zufriedener. »Und du komponierst auch?«
Ich nickte eifrig. »Jawohl, Euer Gnaden. Obwohl ein gutes Lied natürlich Zeit braucht.«
»Wie viel?«
Ich zuckte die Achseln. »Ein bis zwei Tage oder auch drei, je nach dem, was für ein Lied Ihr wünscht. Briefe gehen schneller.«
Der Maer beugte sich vor. »Es freut mich, dass Threpe mit seinem Lob nicht übertrieben hat. Ich gebe auch zu, dass ich dich nicht nur aus Dankbarkeit in diese Gemächer habe umziehen lassen. Sie sind |634| durch einen Gang mit meinen verbunden. Wenn wir über meine Brautwerbung sprechen, müssen wir uns oft treffen.«
»Dafür ist ein Verbindungsgang sicher bestens geeignet, Euer Gnaden.« Meine nächsten Worte wählte ich mit Bedacht. »Ich habe einiges über die Geschichte ihrer Familie in Erfahrung gebracht, doch ist dies nur bedingt für eine Brautwerbung geeignet.«
Alveron lachte in sich hinein. »Du hältst mich bestimmt für einen Narren«, sagte er leise. »Aber du musst sie kennenlernen. In zwei Tagen wird sie zusammen mit anderen Würdenträgern hier zu Besuch eintreffen. Ich habe zur Feier meiner Genesung Festlichkeiten für die Dauer eines Monats anberaumt.«
»Eine weise Entscheidung«, sagte ich.
Er zuckte mit den Achseln. »Ich werde dafür sorgen, dass Ihr beide frühzeitig zusammenkommt. Brauchst du zur Ausübung deiner Kunst noch etwas?«
»Ein ordentlicher Vorrat Papier müsste genügen, Euer Gnaden. Außerdem Tinte und Federn.«
»Mehr nicht? Ich habe von Dichtern gehört, die ihrer Schaffenskraft mit ganz absonderlichen Mitteln aufhelfen.« Der Maer hob die Hände. »Kein bestimmtes Getränk oder eine bestimmte Umgebung? Ein berühmter Dichter aus Renere hat immer einen Koffer mit fauligen Äpfeln neben sich stehen. Wenn seine Phantasie erlahmt, öffnet er ihn und atmet den beißenden Gestank ein, der ihm entströmt.«
Ich lachte. »Ich bin Musiker, Euer Gnaden. Lassen wir den Dichtern ihren Aberglauben. Ich brauche nur mein Instrument, zwei tüchtige Hände und einige Kenntnis über meinen Gegenstand.«
Doch Alveron wollte nicht so leicht aufgeben. »Ich kann dir mit nichts helfen?«
»Ich würde mich mit Eurer Erlaubnis gern frei in Burg und Stadt bewegen, Euer Gnaden.«
»Es sei dir gewährt.«
»Dann habe ich alles, was ich zum Komponieren brauche, in Reichweite.«
|635| Ich war kaum in die Spenglerstraße eingebogen, da sah ich sie auch schon. In Anbetracht der vergeblichen Suche der letzten Monate erschien es mir seltsam, dass ich sie diesmal so schnell fand.
Ihre Bewegungen waren so anmutig und von einer solch natürlichen Leichtigkeit, dass sie nichts mit der Steifheit zu tun hatten, die bei Hof als Anmut gilt. Eine Katze denkt nicht daran, dass sie sich streckt, sie streckt sich einfach. Ein Baum tut nicht einmal das. Er schwankt ohne eigene
Weitere Kostenlose Bücher