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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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ganzer Arm bis zur Schulter kalt wurde. »Und du kannst mir glauben, dass ich weiß, wie man Feuer macht.«
    Die Holzspäne fingen Feuer und flammten auf. Im nächsten Moment brannte auch der restliche Zunder lichterloh.
    Ich wollte mit meinem theatralischen Auftritt nur erreichen, dass Dedan mich in Zukunft ernst nahm. Doch die Zeit an der Universität hatte mich abgestumpft. Ein Feuer auf diese Weise zu entzünden war für ein Mitglied des Arkanums so banal, wie sich die Schuhe anzuziehen.
    Dedan dagegen war noch nie einem Arkanisten begegnet und hatte sich wahrscheinlich auch noch nie auf weniger als fünfhundert Meilen einer Universität genähert. Seine Kenntnisse über Zauberei beschränkten sich auf am Lagerfeuer erzählte Geschichten.
    Als jetzt die Flammen aufloderten, wurde er kreidebleich und wich hastig einige Schritte zurück. Er sah mich an, als hätte ich wie einst Taborlin der Große eine tosende Flammenwand herbeigerufen.
    Dann merkte ich, dass Marten und Hespe mich ähnlich erschrocken anstarrten. Sie waren wie alle gebürtigen Vintaner in höchstem Maße abergläubisch. Unruhig sahen sie zwischen dem flackernden Feuer und mir hin und her. Offenbar gehörte ich zu denen, die sich mit finsteren Mächten abgaben. Ich beschwor Dämonen und aß kleine Käse mitsamt der Rinde.
    Ein Blick auf ihre entgeisterten Gesichter verriet mir, dass ich sie durch Worte nicht beruhigen konnte, jedenfalls nicht jetzt. Ich seufzte also nur und rollte meine Decke für die Nacht aus.
    An jenem Abend gab es am Feuer keine fröhlichen Gespräche, dafür machte Dedan aber auch keine abfälligen Bemerkungen mehr über mich. Ich lege Wert darauf, ernst genommen zu werden, und wenn man mich nicht respektiert, kann sich ein wenig gesunde Furcht als sehr hilfreich erweisen.

    |722| Zwei Tage ohne weitere dramatische Auftritte meinerseits trugen zur allseitigen Entspannung bei. Dedan blieb ein Aufschneider und Schwadroneur, doch nannte er mich nicht mehr »Kind« und jammerte nur noch halb so viel, was ich als Sieg verbuchte.
    Beschwingt von diesem fragwürdigen Erfolg, unternahm ich einen ernsthaften Versuch, Tempi in ein Gespräch zu verwickeln. Als Anführer der kleinen Gruppe musste ich mehr über ihn wissen. Vor allem aber interessierte mich, ob er mehr als fünf Worte hintereinander herausbringen konnte.
    Ich ging also zu ihm, als wir zur Mittagspause anhielten. Er hatte sich ein wenig abseits von den anderen gesetzt, nicht aus einem besonderen Dünkel, sondern weil wir anderen uns beim Essen unterhielten, er aber nur aß.
    An diesem Tag setzte ich mich also bewusst neben ihn. Mein Essen, ein hartes Stück Wurst und einige kalte Kartoffeln, brachte ich mit. »Hallo, Tempi.«
    Er hob den Kopf und nickte. Für einen kurzen Moment sah ich seine blassgrauen Augen, dann wandte er den ruhelosen Blick wieder ab. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und ich fühlte mich an Simmon erinnert. Beide hatten die gleiche schlanke Statur und rotblonde Haare. Mit dem Unterschied, dass Simmon nicht so still war. Bei ihm kam ich manchmal kaum zu Wort.
    Natürlich hatte ich schon früher versucht, mit Tempi ins Gespräch zu kommen. Über Dinge, über die man sich gemeinhin unterhält, wie das Wetter, wunde Füße nach einem langen Tagesmarsch oder das Essen. Doch alle meine Versuche waren gescheitert. Tempi hatte höchstens ein, zwei Worte gesagt oder aber nur genickt oder mit den Achseln gezuckt. Am häufigsten war ein verwirrter Blick gewesen, begleitet von unruhigen Handbewegungen und der hartnäckigen Weigerung, meinen Blick zu erwidern.
    An diesem Tag hatte ich mir deshalb ein besonderes Eröffnungsthema überlegt. »Ich habe von der geheimen Kunst des Lethani gehört«, sagte ich. »Und ich wüsste gern mehr darüber. Kannst du mir weiterhelfen?«
    Tempi streifte mich mit einem Blick, der nichts verriet. Er zog an einem der roten Lederriemen, mit denen sein Hemd an den Körper |723| geschnürt war, und zupfte an seinem Ärmel. »Nein, ich will nicht darüber sprechen. Das geht dich nichts an. Frage nicht.«
    Er wandte den Blick ab und sah zu Boden.
    Ich zählte stumm. Dreizehn Worte. Wenigstens eine Frage war damit beantwortet.

|724| Kapitel 77
ZUM GÜLDENEN PENNY
    E s dämmerte bereits, als wir um eine Kurve der Straße bogen und Klatschen und Stampfen hörten, gemischt mit Musik, Geschrei und lautem Gelächter. Meine nach zehn Stunden Fußmarsch darniederliegenden Geister belebten sich schlagartig.
    Vor uns lag an der letzten

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