Die Furcht des Weisen / Band 1
sofort.«
»Nachdem du nun alle so mächtig beeindruckt hast, kannst du dir aber auch ein bisschen Vergnügen gönnen, findest du nicht?«, sagte Simmon. »Wie war das noch mit dem Esel …?«
»Zum letzten Mal: Nein«, sagte ich. »Mit Ambrose bin ich fertig. Es kommt nichts dabei heraus, ihn noch weiter gegen mich aufzubringen.«
»Du hast ihm den Arm gebrochen«, sagte Wil. »Noch mehr Aufbringen geht ja wohl auch kaum.«
»Er hatte meine Laute kaputt gemacht«, erwiderte ich. »Jetzt sind wir quitt. Und ich bin bereit zu vergessen und zu verzeihen.«
»Von wegen«, sagte Sim. »Du hast ihm doch ein Pfund ranzige Butter in den Schornstein gekippt. Du hast seinen Sattelgurt gelockert …«
»Halt die Klappe, verdammt noch mal!«, sagte ich und sah mich um. »Das ist schon fast einen Monat her, und außer euch beiden weiß niemand, dass ich das war. Jetzt weiß es auch Manet. Und jeder, der das gerade mit angehört hat.«
Sim wurde rot, und das Gespräch verebbte, bis Lily mit unseren Getränken kam. Wils Scutten wurde in dem traditionellen Steingutkelch serviert, und Sims Met leuchtete goldfarben in einem hohen Glas. Manet und ich bekamen Holzkrüge.
Manet lächelte. »Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal einen Sounten bestellt habe«, sagte er nachdenklich. »Und ich glaube, ich habe noch nie einen für mich selbst bestellt.«
»Und du bist der Einzige sonst, den ich je einen trinken sah«, sagte |94| Sim. »Kvothe haut das Zeug ja weg wie nichts. Drei oder vier Krüge am Abend.«
Manet sah mich an und hob eine buschige Augenbraue. »Sie wissen nicht Bescheid?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf und trank einen Schluck aus meinem Krug. Ich wusste nicht recht, ob ich mich nun amüsieren oder genieren sollte.
Manet schob seinen Krug Sim hin, und der probierte ein Schlückchen. Er runzelte die Stirn und trank noch einen Schluck. »Wasser?«
Manet nickte. »Das ist ein alter Hurentrick. Man schwatzt sie im Schankraum des Bordells voll und will ihnen zeigen, dass man nicht so ist wie die anderen Männer. Man ist ein kultivierter Mensch. Also lädt man sie zu einem Gläschen ein.«
Er langte über den Tisch und nahm Sim den Krug wieder weg. »Aber sie sind ja bei der Arbeit. Sie wollen nichts trinken. Lieber wollen sie das Geld. Also bestellen sie sich einen ›Sounten‹, einen ›Peveret‹ oder wie auch sonst immer sie es nennen. Du bezahlst die Getränke, der Barmann schenkt ihr insgeheim Wasser aus, und am Ende des Abends teilt sie sich die Zeche mit dem Haus. Wenn sie gut zuhören kann, kann ein Mädchen am Tresen genauso viel verdienen wie im Bett.«
Ich schaltete mich ein: »Also, wir teilen das durch drei: Ein Drittel fürs Haus, ein Drittel für den Barmann und ein Drittel für mich.«
»Dann lässt du dich aber übers Ohr hauen«, sagte Manet. »Der Barmann sollte seinen Anteil vom Haus bekommen.«
»Ich hab dich im ANKER’S noch nie einen Sounten bestellen sehen«, sagte Sim.
»Da muss es Greysdale-Met sein«, sagte Wil. »Das bestellt er ständig.«
»Aber ich hab da auch schon Greysdale bestellt«, wandte Sim ein. »Und das schmeckte wie ’ne Mischung aus Einmachwasser und Pisse. Und außerdem …« Er verstummte.
»Erwies es sich als teurer, als du gedacht hattest?«, fragte Manet und grinste. »Hätte ja wohl auch keinen Sinn, für das, was ein kleines Bier kostet, so einen Aufwand zu treiben, nicht wahr?«
|95| »Im ANKER’S wissen sie, was ich meine, wenn ich ein Greysdale bestelle«, sagte ich. »Und wenn ich irgendwas bestellen würde, das es gar nicht gibt, wäre das ja auch ziemlich leicht zu durchschauen.«
»Und wieso weißt du über so was Bescheid?«, fragte Sim Manet.
Manet kicherte. »Einem alten Hund wie mir kannst du nichts mehr vormachen«, sagte er.
Dann wurde das Licht gedämpft, und wir wandten uns der Bühne zu.
Von da an zerfaserte der Abend zusehends. Manet brach zu neuen Weidegründen auf, derweil Wil, Sim und ich unser Bestes gaben, den Gläserandrang auf unserem Tisch zu bewältigen, den Musikerkollegen auslösten, indem sie uns eine Runde nach der anderen spendierten. Eine geradezu obszöne Anzahl von Getränken kam da zusammen. Viel mehr, als ich zu hoffen gewagt hatte.
Ich trank meist Sounten, da ich ja an diesem Abend vor allem deshalb ins EOLIAN gekommen war, um Geld für meine Studiengebühren aufzutreiben. Nachdem Wil und Sim den Trick nun kannten, bestellten sie ebenfalls ein paar Runden davon. Ich war ihnen doppelt dankbar
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