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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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einmal gezeigt hat.«
    »Ich kann es nicht ausstehen, ›der junge Kvothe‹ genannt zu werden«, bemerkte ich nebenbei zu Sim, der mir darauf einen mitfühlenden Blick schenkte.
    »Ich bleibe dabei: Es war brillant«, sagte Marie, wandte sich zu |89| Stanchion um und richtete sich zu voller Größe auf. »Das war das Cleverste, was hier seit vielen Spannen jemand gemacht hat, und das weißt du ganz genau.«
    Ich legte Marie eine Hand auf den Arm. »Er hat recht«, sagte ich. »Es war eine Dummheit.« Unschlüssig zuckte ich die Achseln. »Oder wäre es zumindest gewesen, wenn ich noch die leiseste Hoffnung hätte, jemals einen Schirmherrn für mich gewinnen zu können.« Ich sah Stanchion an. »Aber das habe ich nicht. Wir wissen doch beide, dass Ambrose diesen Brunnen für mich vergiftet hat.«
    »Brunnen bleiben aber nicht für alle Ewigkeit vergiftet«, sagte Stanchion.
    Ich zuckte die Achseln. »Dann lass es mich mal so sagen: Lieber spiele ich Lieder, die meine Freunde amüsieren, als Leuten entgegenzukommen, die mich nur aufgrund von irgendwelchem Gerede ablehnen.«
    Stanchion atmete tief durch. »Na gut …«, sagte er und lächelte ein wenig.
    In die nun folgende kurze Gesprächspause hinein räusperte sich Manet vielsagend und schoss Blicke am Tisch hin und her.
    Ich verstand den Wink und machte sie miteinander bekannt. »Stanchion, meine Kommilitonen Wil und Sim hast du ja schon kennengelernt. Das ist Manet, ebenfalls Student und auch mein Mentor an der Universität. Und euch darf ich Stanchion vorstellen: Inhaber, Wirt und Herr über die Bühne hier im EOLIAN.«
    »Freut mich sehr«, sagte Stanchion und nickte höflich, ehe er sich wieder beflissen im Saal umsah. »Apropos, ich sollte mich mal wieder meinen Geschäften widmen.« Er klopfte mir zum Abschied auf den Rücken. »Und ich werde mal zusehen, ob ich nicht ein paar Wogen glätten kann.«
    Ich lächelte ihm dankbar zu und machte dann eine schwungvolle Geste. »Leute, das ist Marie. Wie ihr bereits mit eigenen Ohren feststellen durftet: die beste Geigerin des EOLIAN. Und wie ihr nun mit eigenen Augen seht: die schönste Frau im Umkreis von tausend Meilen. Und wir ihr bald bemerken werdet: die klügste …«
    Grinsend verpasste sie mir einen Klaps. »Wenn ich nur halb so klug wäre, wie ich groß bin, würde ich nicht für dich in die Bresche |90| springen«, sagte sie. »Hat der arme Threpe tatsächlich die ganze Zeit vergebens für dich geworben?«
    Ich nickte. »Ich habe ihm gesagt, dass es aussichtslos ist.«
    »Das bleibt es auch, wenn du die Leute weiter so vor den Kopf stößt«, sagte sie. »Ich bin wirklich noch nie jemandem begegnet, der ein solches Geschick hat, gegen gesellschaftliche Konventionen zu verstoßen. Wenn du nicht von Natur aus so reizend wärst, hätte dich bestimmt längst jemand erdolcht.«
    »Das ist anmaßend«, murmelte ich.
    Marie wandte sich an meine Freunde: »Es war mir ein Vergnügen, euch alle kennenzulernen.«
    Wil nickte, und Sim lächelte. Manet jedoch erhob sich und streckte ihr in einer fließenden Bewegung eine Hand entgegen. Marie ergriff sie, und Manet schloss herzlich auch noch die andere Hand darum.
    »Marie«, sagte er. »Du faszinierst mich. Bestünde irgendwie die Möglichkeit, dass ich dich heute Abend noch auf ein Gläschen einladen und ein bisschen mit dir plaudern dürfte?«
    Ich war so verblüfft, dass ich ihn nur anstarrte. Wie die beiden da standen, bildeten sie einen krassen Kontrast. Marie war fast einen Kopf größer als Manet, und ihre Stiefel ließen ihre langen Beine noch länger erscheinen.
    Manet hingegen sah aus, wie er immer aussah: grauhaarig und ungepflegt und noch dazu mindestens zehn Jahre älter als Marie.
    Marie blinzelte und und neigte den Kopf ein wenig zur Seite, als würde sie es sich überlegen. »Ich bin mit ein paar Freunden hier«, sagte sie. »Es könnte spät werden, bis ich mich von ihnen verabschiede.«
    »Das macht mir gar nichts«, erwiderte Manet leichthin. »Ich verzichte gern auf etwas Schlaf. Ich weiß nämlich gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal einer Frau begegnet bin, die ohne zu zögern und klipp und klar sagt, was sie denkt. Solche Frauen findet man heutzutage wirklich nur sehr selten.«
    Marie musterte ihn noch einmal.
    Manet sah ihr in die Augen und ließ ein Lächeln aufblitzen, das so selbstsicher und reizend wirkte, dass es durchaus bühnenreif war. |91| »Ich will dich keinesfalls deinen Freunden abspenstig machen«, sagte er. »Aber du bist die

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