Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
Unterarm darüber. »Eine Frage hätte ich mal«, sagte er wieder so laut, dass alle es hören konnten. »Was verdient ihr Adem in eurer schicken Uniform eigentlich?«
    |807| Tempi sah mich mit schräggelegtem Kopf an. Offenbar verstand er den Mann wegen seines breiten Akzents nicht.
    »Er will wissen, was du verdienst«, erklärte ich.
    Tempi machte eine unschlüssige Handbewegung. »Schwer zu sagen.«
    Tam beugte sich über den Tisch. »Was würdest du pro Tag nehmen, wenn dich jemand als Wächter für eine Karawane anheuern würde?«
    »Zwei Jots.« Tempi zuckte mit den Schultern. »Oder drei.«
    Tam lachte so laut, dass ich seinen Atem roch. Ich hatte erwartet, dass er stinken würde, aber er roch nach mit süßen Gewürzen versetztem Most. »Habt ihr das gehört?«, rief Tam über die Schulter. »Drei Jots am Tag. Und kann nicht einmal richtig sprechen!«
    Inzwischen hörten uns fast alle zu, und auf Tams Worte hin wurde empörtes Murmeln laut.
    Tam wandte sich wieder Tempi zu. »Die meisten von uns bekommen einen Penny am Tag, wenn wir überhaupt Arbeit haben. Ich bekomme zwei, weil ich gut mit Pferden umgehen kann und notfalls auch ein Fuhrwerk hinten anhebe.« Er rollte mit seinen breiten Schultern. »Kannst du vielleicht kämpfen wie zwanzig von uns?«
    Ich weiß nicht, wie viel Tempi mitbekam. Die letzte Frage schien er jedenfalls verstanden zu haben. »Zwanzig?«, wiederholte er und sah sich abschätzend um. »Nein, vier.« Er bewegte die Hand einige Male unsicher hin und her. »Fünf.«
    Die Stimmung in der Gaststube besserte sich dadurch nicht. Tam schüttelte den Kopf, als sei er jetzt vollkommen verwirrt. »Selbst wenn ich dir das glauben würde, hieße das, dass du vier bis fünf Pennys am Tag verdienen müsstest, nicht zwanzig. Wie …«
    Ich setzte mein liebenswürdigstes Lächeln auf. »Wenn ich etwas sagen darf.«
    Tam stellte seinen Becher so unsanft auf den Tisch, dass Most über den Rand schwappte, und sah mich böse und ganz ohne die aufgesetzte Freundlichkeit an, mit der er Tempi begegnete. »Kleiner«, brummte er, »wenn du mir noch einmal ins Wort fällst, schlag ich dir die Zähne aus.« Er sagte es nicht einmal besonders laut, eher so als wollte er mir lediglich mitteilen, dass ich, wenn ich ins Wasser sprang, nass werden würde.
    |808| Dann wandte er sich wieder Tempi zu. »Wie kommst du darauf, du könntest drei Jots am Tag wert sein?«
    »Wer mich kauft, kauft das.« Tempi hob die Hand. »Und das.« Er zeigte auf sein Schwert. »Und das.« Er klopfte auf einen der Riemen, die sein rotes Hemd an den Leib schnürten.
    Der Hüne schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Also das ist das Geheimnis!«, rief er. »Ich brauche ein rotes Hemd!« Hinter ihm wurde Lachen laut.
    Tempi schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Tam beugte sich vor und schnippte mit einem dicken Finger gegen eine Schnalle an Tempis Schulter. »Willst du damit sagen, ich sei nicht gut genug, um so ein schönes rotes Hemd wie du zu tragen?« Er schnippte wieder gegen die Schnalle.
    Tempi nickte unbekümmert. »Ja. Du bist nicht gut genug.«
    Tam grinste, doch in seine Augen war ein Flackern getreten. »Wenn ich nun sage, deine Mutter sei eine Hure?«
    In der Stube wurde es still. Tempi sah mich an.
Neugier.
»Was ist eine Hure?«
    Das Wort hatte erwartungsgemäß nicht zu den Wörtern gehört, die wir in den letzten Tagen ausgetauscht hatten. Ich überlegte kurz, ob ich lügen sollte, aber es hatte keinen Zweck. »Er behauptet, dass deine Mutter für Geld mit Männern schläft.«
    Tempi wandte sich wieder an den Söldner und nickte freundlich. »Das ist sehr nett von dir. Danke.«
    Tams Augen funkelten zornig. Er schien zu argwöhnen, dass Tempi sich über ihn lustig machte. »Du Feigling. Für einen lumpigen Penny würde ich dir einen solchen Tritt verpassen, dass dir der Schwanz hinten heraushängt.«
    Tempi sah mich erneut an. »Ich verstehe ihn nicht«, sagte er. »Will er für Geld mit mir schlafen? Oder will er kämpfen?«
    Die anderen Männer brachen in lautes Gelächter aus. Tams Gesicht hinter dem Bart lief dunkelrot an.
    »Ich glaube eher, er will kämpfen«, sagte ich und unterdrückte mein Lachen.
    »Ach so.« Tempi nickte. »Warum sagt er es dann nicht? Warum das ganze …« Er schnippte mit den Fingern und sah mich fragend an.
    |809| »Alberne Getue?«, sagte ich frech, denn Tempis Gelassenheit beruhigte mich. Nachdem ich erlebt hatte, wie leicht er mit Dedan fertig geworden war, konnte es mir nur recht sein,

Weitere Kostenlose Bücher