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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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seinen schweren Rucksack ab und setzte sich ins Gras. »Wir müssen über Lethani sprechen.«
    Ich musste mich zusammenreißen, um nicht vor lauter Freude wie blödsinnig zu lächeln. Schon längst hatte ich ihn wieder danach fragen wollen, da wir uns inzwischen viel näher standen als beim ersten Mal. Aber ich hatte gefürchtet, ich könnte ihn kränken.
    Ich schwieg einen Augenblick lang, teils um mich zu fassen, teils aber auch, um Tempi zu verstehen zu geben, wie großen Respekt ich vor diesem Thema hatte. »Lethani«, wiederholte ich vorsichtig. »Du hast gesagt, ich solle nicht danach fragen.«
    »Damals nicht. Jetzt vielleicht. Ich …«
Unsicher.
»Hin und her gerissen. Frage mich.«
    Ich wartete noch kurz, ob er weitersprechen würde. Als er das nicht tat, stellte ich die nächstliegende Frage: »Was ist Lethani?«
    Ernst.
Tempi sah mich lange an, dann platzte er auf einmal mit Lachen heraus. »Ich weiß es nicht und kann es dir nicht sagen.« Er lachte wieder.
Untertreibung.
»Aber wir müssen trotzdem darüber sprechen.«
    Ich zögerte. Vielleicht war das ja wieder einer seiner sonderbaren Scherze, die ich nicht verstand.
    |814| »Es ist sehr schwer«, sagte er. »Sogar in meiner eigenen Sprache. In deiner?«
Aussichtslos.
»Sag mir, was du darüber weißt.«
    Ich überlegte, wie ich das, was ich über Lethani gehört hatte, so ausdrücken konnte, dass er es verstand. »Angeblich ist Lethani ein geheime Fähigkeit, welche die Adem stark macht.«
    Tempi nickte. »Stimmt.«
    »Wer sie beherrsche, heißt es, würde im Kampf immer siegen.«
    Wieder ein Nicken.
    Ich schüttelte den Kopf. Wie sollte ich mich ihm verständlich machen? »Lethani ist angeblich eine geheime Kraft. Die Adem behalten ihre Worte in sich.« Ich machte eine Handbewegung, als ziehe ich verschiedene Gegenstände an mich und halte sie fest. »Diese Wörter sind dann wie Holz im Feuer, und das Wortfeuer macht die Adem stark und schnell. Sie bekommen davon eine Haut wie Eisen. Deshalb kannst du gegen mehrere Gegner kämpfen und sie besiegen.«
    Tempi folgte mir aufmerksam und machte dann eine Handbewegung, die ich nicht kannte. »Das ist Unsinn«, sagte er schließlich. »Verrückt. Kann man ›verrückt‹ sagen?« Er streckte die Zunge heraus, verdrehte die Augen und wackelte neben dem Kopf mit den Fingern.
    Ich musste lachen. Es klang angespannt. »Ja, das kann man. Oder ›übergeschnappt‹.«
    »Dann ist das, was du gesagt hast, also verrückt und übergeschnappt.«
    »Aber was ich heute gesehen habe, dass nämlich deine Nase nicht gebrochen ist, als sie mit dem Kopf des Mannes zusammenstieß, das ist nicht normal.«
    Tempi schüttelte den Kopf und erhob sich. »Steh auf.«
    Ich gehorchte, und Tempi trat vor mich. »Mit dem Kopf zuzuschlagen ist schlau und geht auch sehr schnell. Der Gegner wird überrumpelt, weil er nicht damit rechnet. Aber ich rechne damit.«
    Er trat noch näher, bis wir uns fast an der Brust berührten. »Du bist jetzt der laute Mann von vorhin. Dein Kopf ist hart und meine Nase ist weich.« Er nahm meinen Kopf mit seinen Händen. »Du willst das.« Er führte meinen Kopf langsam nach unten, bis meine Stirn auf seine Nase drückte.
    |815| Dann ließ er ihn wieder los. »Mit dem Kopf zuzuschlagen geht sehr schnell. Ich habe wenig Zeit. Kann ich ausweichen?« Er zog meinen Kopf wieder nach unten und wich zugleich nach hinten zurück. Diesmal berührte meine Stirn seinen Mund. Es sah aus, als gebe er mir einen Kuss. »Das ist schlecht. Der Mund ist auch weich.«
    Er richtete meinen Kopf wieder auf. »Wenn ich sehr schnell bin …« Er trat einen vollen Schritt zurück und bog meinen Kopf noch weiter nach unten, bis ich ihn mit der Stirn an der Brust berührte. Dann ließ er mich wieder los und ich richtete mich auf. »Das ist immer noch nicht gut. Meine Brust ist nicht weich, aber der Mann hatte einen besonders harten Kopf.« Ein Funkeln trat in seine Augen und gab mir zu verstehen, dass er einen Scherz gemacht hatte. Ich lachte leise.
    »Also«, sagte Tempi und nahm wieder seine Ausgangsposition ein. »Was kann Tempi tun?« Er machte eine Handbewegung. »Schlag mit dem Kopf zu, ganz langsam. Dann zeige ich es dir.«
    Ich senkte wieder langsam den Kopf, als wollte ich ihm die Nase brechen. Mein Herz klopfte.
    Tempi beugte sich genauso langsam vor und zog das Kinn ein wenig ein. Es war nur eine kleine Bewegung, aber diesmal traf ich mit der Nase auf seine Schädeldecke.
    Tempi trat zurück. »Siehst du? Das ist schlau.

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