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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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dafür, denn andernfalls hätte ich sie vermutlich auf einer Schubkarre nach Hause schaffen müssen.
    Irgendwann hatten wir drei dann aber doch genug – von der Musik und dem Geschwätz und in Sims Fall auch den gänzlich vergeblichen Flirtversuchen mit allen möglichen Kellnerinnen.
    Bevor wir gingen, brachte ich dem Barmann gegenüber noch auf diskrete Weise die Differenz zwischen einem Drittel und einer Hälfte zur Sprache. Nach Abschluss dieser Verhandlungen kassierte ich ein Talent und sechs Jots. Das allermeiste davon verdankte sich den Getränken, die mir meine Musikerkollegen an diesem Abend spendiert hatten.
    Ich tat die Münzen in meinen Geldbeutel:
Glatte drei Talente
.
    Bei den Verhandlungen sprangen außerdem noch zwei dunkelbraune Flaschen für mich heraus. »Was ist das denn?«, fragte Sim, als ich sie in meinem Lautenkasten verstaute.
    |96| »Bredon-Bier.« Ich arrangierte die Lumpen, mit denen ich meine Laute polsterte, so, dass die Flaschen sie nicht berühren konnten.
    »Bredon«, sagte Wil verächtlich. »Das ist ja eher Brot als Bier.«
    Sim nickte und verzog das Gesicht. »Ich mag’s nicht, wenn ich beim Trinken auch noch kauen muss.«
    »Es ist gar nicht so schlecht«, erwiderte ich. »In den kleinen Königreichen trinken die Frauen es während der Schwangerschaft. Arwyl hat das mal in einer Vorlesung erwähnt. Beim Brauen werden Blütenpollen, Fischöl und Kirschkerne zugesetzt. Es enthält alle möglichen Spurenelemente.«
    »Kvothe, wir urteilen nicht über dich«, sagte Wilem, legte mir eine Hand auf die Schulter und blickte besorgt. »Sim und mich stört es nicht, dass du jetzt eine schwangere Yllerin bist.«
    Simmon prustete und lachte dann darüber, dass er geprustet hatte.
    Dann gingen wir drei langsam zur Universität zurück und überquerten dabei den hohen Bogen der Steinbrücke. Und da uns niemand hören konnte, sang ich für Sim
Esel, dummer Esel
.
    Wil und Sim wankten zu ihren Zimmern im Mews. Ich aber war noch nicht bettreif und schlenderte weiter durch die menschenleeren Straßen der Universität und atmete tief die kühle Nachtluft ein.
    Ich ging an den dunklen Fassaden der Apotheken, Glasbläsereien und Buchbindereien vorüber. Dann nahm ich eine Abkürzung über eine gepflegte Rasenfläche und genoss den Geruch von Herbstlaub und Gras. Die meisten Wirtshäuser und Schenken hatten schon geschlossen, in den Bordellen aber brannte noch Licht.
    Die grauen Mauern des Meistergebäudes wirkten im Mondschein silbern. Drinnen brannte eine einzelne schummrige Leuchte und schien durch das bemalte Fenster, das Teccam in seiner klassischen Pose zeigte: Barfuß stand er am Eingang seiner Höhle und sprach zu einer Gruppe Studenten.
    Ich ging am Alchemie-Komplex vorbei, dessen zahllose Schlote dunkel in den mondhellen Nachthimmel ragten. Auch nachts, wenn sie größtenteils nicht in Betrieb waren, roch es hier nach Ammoniak, Säuren, Alkohol und Abertausenden anderen Aromen, die sich im Laufe der Jahrhunderte in den Mauern des Gebäudes festgesetzt hatten.
    |97| Zuletzt kam die Bibliothek. Fünf Geschosse hoch und ohne Fenster wirkte sie auf mich wie ein riesiger Graustein. Die schweren Türen waren geschlossen, doch durch die Fugen schimmerte der rötliche Schein der Sympathielampen. In der Prüfungszeit ließ Meister Lorren die Bibliothek auch nachts geöffnet, damit alle Mitglieder des Arkanums dort büffeln konnten, so lange sie wollten. Alle Mitglieder bis auf eines natürlich.
    Ich ging zurück zum ANKER’S und fand das Wirtshaus dunkel und still vor. Ich hatte zwar einen Schlüssel für die Hintertür, doch statt dort durch die Dunkelheit zu tapern, ging ich lieber in die Gasse um die Ecke. Rechter Fuß auf die Regentonne, linker Fuß auf den Fenstersims, linke Hand ans Regenrohr. Leise schwang ich mich zu meinem Fenster im zweiten Obergeschoss hinauf, öffnete mit einem Stück Draht den Riegel und stieg hinein.
    Es war stockfinster, und ich war zu müde, um mir unten am Kamin Feuer zu holen. Also berührte ich den Docht der Lampe neben meinem Bett und benetzte meine Finger dabei ein wenig mit Öl. Dann murmelte ich eine Bindung und spürte meinen Arm kalt werden, als alle Wärme aus ihm wich. Zunächst geschah nichts, und ich konzentrierte mich, um die leichte Benommenheit von dem getrunkenen Alkohol zu überwinden. Die Kälte fuhr mir tiefer in den Arm und ließ mich erschauern, und endlich flackerte am Docht eine Flamme auf.
    Jetzt fror ich, und ich schloss das Fenster und

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