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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Wir müssen noch ein paar Minuten warten, bis wir uns überhaupt anstellen können.«
    »Es ist doch lächerlich, dass sie uns so herumstehen lassen«, sagte ich. »Wie Schafe auf einer Koppel. Das ganze Prozedere ist doch für alle Beteiligten die reine Zeitverschwendung – und noch dazu eine Unverschämtheit.« Ich sah eine gewisse Besorgnis auf Amlias Gesicht. »Was ist denn?«, fragte ich.
    »Du redest ein bisschen zu laut«, sagte sie und blickte sich um.
    »Ich hab halt bloß keine Angst, das auszusprechen, was alle denken«, erwiderte ich. »Das ganze Prozedere der Zulassungsprüfungen ist absoluter Murks, hochgradiger Schwachsinn. Meister Kilvin weiß, was ich kann. Elxa Dal ebenso. Brandeur könnte mich ohnehin nicht von einem Loch im Boden unterscheiden. Wieso sollte der gleiches Mitspracherecht haben, was meine Studiengebühren angeht?«
    Amlia zuckte die Achseln und wich meinem Blick aus.
    Ich biss auf eine weitere Mandel und spuckte sie sofort aufs Kopfsteinpflaster. »Bäh!« Ich hielt ihr den Beutel hin. »Schmecken die für dich auch so nach Pflaumen?«
    Sie guckte vage angewidert und richtete den Blick dann hinter mich.
    Ich drehte mich um und sah Ambrose über den Hof auf uns zukommen. Er machte wie stets eine gute Figur, war in weißes Leinen, Samt und Brokat gekleidet. Er trug einen Hut mit einer großen weißen Feder, und dieser Anblick weckte in mir einen ganz übertriebenen Groll. Wie es sonst gar nicht seine Art war, kam er allein und war nicht von seiner üblichen Entourage aus Speichelleckern umgeben.
    »Na wunderbar«, sagte ich, sobald er in Hörweite war. »Ambrose, deine Gegenwart ist gewissermaßen das Sahnehäubchen aus Scheiße auf dem Riesenhaufen Scheiße, den dieses ganze Prüfungsverfahren darstellt.«
    |104| Erstaunlicherweise reagierte Ambrose darauf mit einem Lächeln. »Ah, Kvothe. Freut mich auch, dich zu sehen.«
    »Ich bin vorhin einer Ex von dir begegnet«, sagte ich. »Sie litt an einer schweren seelischen Erschütterung, und ich nehme an, das kommt daher, dass sie dich nackt gesehen hat.«
    Da wurde sein Blick dann doch ein wenig säuerlich, und ich beugte mich zu Amlia hinüber und flüsterte ihr weithin hörbar zu: »Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Ambrose nicht nur einen absoluten Winzpimmel hat, sondern den auch nur hochkriegt, wenn er entweder einen toten Hund oder ein Gemälde des Herzogs von Gibea oder einen barbrüstigen Galeerentrommler vor sich hat.«
    Amlias Gesichtszüge erstarrten.
    Ambrose sah sie an. »Du solltest jetzt besser gehen«, sagte er in freundlichem Ton. »So was musst du dir nicht anhören.«
    Amlia nahm Reißaus.
    »Eins muss ich dir lassen«, sagte ich und sah ihr nach. »Niemand schlägt die Frauen so schnell in die Flucht wie du.« Ich tippte mir an meinen nicht vorhandenen Hut. »Das könntest du unterrichten. Da könntest du Kurse geben.«
    Ambrose stand einfach nur da, nickte zufrieden und sah mich auf seltsam besitzergreifende Weise an.
    »Mit diesem Hut siehst du aus, als würdest du auf kleine Jungs stehen«, fügte ich hinzu. »Und ich hätte nicht übel Lust, ihn dir vom Kopf zu schlagen, wenn du dich nicht auf der Stelle verpisst.« Ich sah ihn an. »Apropos: Wie geht’s denn dem Arm?«
    »Im Moment schon sehr viel besser«, sagte er freundlich und rieb ihn sich gedankenverloren, während er dort stand und lächelte.
    Ich warf mir noch eine Honigmandel in den Mund, verzog das Gesicht und spuckte sie wieder aus.
    »Was ist denn?«, fragte Ambrose. »Magst du keinen Pflaumengeschmack?« Ohne eine Antwort abzuwarten, machte er kehrt und ging davon. Und dabei lächelte er.
    Es besagt einiges über meine Geistesverfassung, dass ich ihm einfach nur verwirrt nachsah. Ich hob den Beutel unter meine Nase und roch daran. Es roch nach Maisblättern, Honig und Zimt. Nicht |105| im Mindesten roch es nach Pflaumen oder Muskatnuss. Wie konnte Ambrose das wissen?
    Dann ging mir ein Licht auf. Und im gleichen Moment schlug es zwölf Uhr, und alle, die das gleiche Terminplättchen erhalten hatten wie ich, stellten sich in einer langen, gewundenen Schlange auf dem Hof an. Die Zeit für meine Prüfung war gekommen.
    Im Schweinsgalopp verließ ich den Hof.

    Ich pochte wie wild an die Tür, außer Atem, nachdem ich ins zweite Obergeschoss des Mews hinaufgerannt war. »Simmon!«, rief ich. »Mach auf! Ich muss mit dir sprechen!«
    Auf dem ganzen Flur gingen Türen auf, und Studenten spähten heraus, um zu

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