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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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große Steinbrücke überquerte. Ich machte kurz in einer Apotheke Halt und ging dann weiter zum GRAUEN MANN.
    Als ich dort eintrat, sah ich, dass es sich um eine Pension handelte. Es gab dort keinen Gemeinschaftsraum, in dem die Gäste beisammensitzen und etwas trinken konnten. Vielmehr fand ich mich in einem nobel eingerichteten Vestibül wieder, in dem mir ein schick gekleideter Portier mit einer gewissen Missbilligung entgegensah.
    »Kann ich helfen, junger Mann?«, fragte er.
    »Ich möchte eine Dame besuchen«, sagte ich. »Sie heißt Dinael.«
    Er nickte. »Ich gehe sogleich nachsehen, ob die Dame im Hause ist.«
    »Nur keine Umstände«, sagte ich und ging in Richtung Treppe. »Sie erwartet mich.«
    Der Mann stellte sich mir in den Weg. »Ich fürchte, das geht so nicht«, sagte er. »Aber ich sehe, wie gesagt, gerne nach, ob die Dame im Hause ist.«
    Er streckte mir eine Hand entgegen. Ich sah ihn nur an.
    »Eine Visitenkarte?«, fragte er. »Etwas, das ich der Dame vorweisen könnte?«
    »Wieso das, wenn gar nicht klar ist, ob sie überhaupt da ist?«, fragte ich.
    Der Portier bedachte mich mit einem Lächeln, das gleichzeitig liebenswürdig und höflich und äußerst unfreundlich war. Ich prägte es mir ein. Ein solches Lächeln ist ein Kunstwerk. Als jemand, der |138| buchstäblich auf der Bühne aufgewachsen ist, wusste ich es gleich in mehrfacher Hinsicht zu würdigen. Ein solches Lächeln konnte in bestimmten gesellschaftlichen Situationen geradezu als Messer dienen, und eines Tages würde ich es vielleicht einmal gebrauchen können.
    »Ah«, sagte der Portier. »Die Dame ist durchaus
da
. Aber das bedeutet nicht unbedingt, dass sie auch
für dich
da ist.«
    »Du kannst ihr sagen, dass Kvothe hier ist, um sie zu besuchen«, sagte ich, eher belustigt als gekränkt. »Ich warte hier.«
    Es dauerte nicht lange. Der Portier kam mit gereizter Miene die Treppe wieder herab, als hätte er sich schon darauf gefreut, mich rausschmeißen zu dürfen. »Hier entlang, bitte«, sagte er.
    Ich folgte ihm die Treppe hinauf. Er öffnete eine Tür, und ich schob mich an ihm vorbei in den Raum – mit einem, wie ich hoffte, für ihn ärgerlichen Maß an Forschheit.
    Es war ein Wohnzimmer mit breiten Fenstern, die den nachmittäglichen Sonnenschein hereinließen. Der Raum war groß genug, um trotz einiger Sitzgruppen geräumig zu wirken. An der Rückwand stand ein großes Hackbrett, und eine Ecke des Raums wurde gänzlich von einer riesigen modeganischen Harfe eingenommen.
    Denna stand mitten im Zimmer. Sie trug ein grünes Samtkleid. Ihr Haar war so frisiert, dass es ihren eleganten Hals, die tränenförmigen Smaragd-Ohrringe und die dazu passende Halskette bestens zur Geltung brachte.
    Sie sprach gerade mit einem jungen Mann, der …, mir fällt nur das Wort ›hübsch‹ ein, um ihn zu beschreiben. Er hatte ein schönes, glatt rasiertes Gesicht und große, dunkle Augen.
    Er wirkte wie ein junger Edelmann, den schon so lange das Glück im Stich gelassen hatte, dass es nicht mehr als vorübergehender Zustand gelten konnte. Seine Kleidung war teuer, aber zerknittert. Sein dunkles Haar war in einem Stil geschnitten, der offensichtlich verlangte, dass man es in Locken legte, es schien aber in letzter Zeit nicht mehr frisiert worden zu sein. Seine Augen waren eingesunken, als hätte er schlecht geschlafen.
    Denna streckte mir eine Hand entgegen. »Kvothe«, sagte sie. »Ich darf dir Geoffrey vorstellen.«
    »Freut mich sehr, dich kennenzulernen, Kvothe«, sagte er. »Dinael |139| hat mir viel von dir erzählt. Du bist so eine Art – wie soll man sagen? Zauberer?« Sein Lächeln war freimütig und arglos.
    »Arkanist ist das richtige Wort dafür«, sagte ich so höflich ich nur konnte. »Bei ›Zauberer‹ denken die Leute immer an allzu viel Blödsinn aus irgendwelchen Märchenbüchern. Dann erwarten sie von uns, dass wir dunkle Gewänder tragen und uns mit Vogeleingeweiden zu schaffen machen. Und du?«
    »Geoffrey ist ein Dichter«, sagte Denna. »Und zwar ein guter – auch wenn er das bestreiten würde.«
    »Das bestreite ich tatsächlich«, sagte er, und dann schwand sein Lächeln. »Ich muss jetzt los. Ich bin mit Leuten verabredet, die man nicht warten lassen sollte.« Er küsste Denna auf die Wange, schüttelte mir herzlich die Hand und ging.
    Denna sah zu, wie er die Tür hinter sich schloss. »Er ist ein süßer Junge.«
    »Du sagst das, als würdest du es bedauern.«
    »Wenn er nicht ganz so süß wäre, wäre er

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