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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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irgendetwas vom Küssen verstanden hätte. Doch als sie da so stand, die Arme um die Harfe geschlungen, die Augen vor Konzentration halb geschlossen, die Lippen leicht geschürzt, wusste ich, dass ich eines Tages so geküsst werden wollte, wie sie dieses Lied spielte.
    Außerdem war sie schön. Es überrascht wahrscheinlich nicht, dass ich ein besonderes Faible für Frauen habe, denen die Musik im Blut liegt. Doch als sie dort Harfe spielte, sah ich sie an diesem Tag zum ersten Mal richtig an. Bis dahin war ich von ihrer Frisur und ihrem Kleid abgelenkt gewesen. Doch als sie spielte, trat all das in den Hintergrund.
    Aber ich gerate ins Schwafeln. Sagen wir einfach nur, dass ich beeindruckt war, obwohl sie offenkundig noch ganz am Anfang stand. Sie griff ein paarmal daneben, ließ sich davon aber nicht beirren. |142| Wie man so sagt: Der Juwelier erkennt den Rohdiamanten. Und ich bin Ersteres. Und sie war Zweiteres.
    »Über
Eichhorn im Stroh
bist du aber schon weit hinaus«, sagte ich leise, nachdem sie zu Ende gespielt hatte.
    Sie tat dieses Kompliment mit einem Achselzucken ab und wich meinem Blick aus. »Außer Üben hab ich ja auch nicht viel zu tun«, sagte sie. »Kellin meint übrigens auch, ich sei begabt.«
    »Wie lange übst du denn schon?«, fragte ich.
    »Drei Spannen?« Sie blickte nachdenklich und nickte dann. »Ja, nicht ganz drei Spannen.«
    »Mutter Gottes«, sagte ich und schüttelte den Kopf. »Erzähl bloß keinem, wie schnell du das gelernt hast. Andere Musiker würden dich dafür hassen.«
    »Meine Finger sind noch nicht daran gewöhnt«, sagte sie und sah auf sie hinab. »Ich kann noch längst nicht so lange üben, wie ich gern würde.«
    Ich nahm ihre Hand und sah mir ihre Fingerspitzen an. Ich sah verheilende Blasen. »Du hast …«
    Ich hob den Blick und bemerkte, wie nah sie mir stand. Ihre Hand lag kühl in meiner. Sie sah mich aus ihren großen, dunklen Augen an, eine Augenbraue neugierig erhoben. Mit einem Mal hatte ich ein sehr seltsames Gefühl im Bauch.
    »Was habe ich?«, fragte sie.
    Mir wurde klar, dass ich nicht mehr wusste, was ich gerade sagen wollte. Ich überlegte zu sagen:
Ich weiß nicht mehr, was ich gerade sagen wollte
. Doch das hätte dumm geklungen. Also sagte ich gar nichts.
    Denna senkte den Blick, nahm meine Hand und drehte sie um. »Deine Hände sind weich«, sagte sie und berührte meine Fingerspitzen. »Ich dachte, die Schwielen wären hart, aber das sind sie gar nicht. Sie sind weich.«
    Als sie mir nun nicht mehr in die Augen sah, kehrte meine Geistesgegenwart wenigstens teilweise zurück. »Das kommt mit der Zeit«, sagte ich.
    Denna sah wieder hoch und lächelte mich scheu an. Mein Hirn war mit einem Schlag so leer wie ein weißes Blatt Papier.
    |143| Dann ließ sie meine Hand los und ging an mir vorbei in die Mitte des Zimmers. »Darf ich dir etwas zu trinken anbieten?«, fragte sie und ließ sich anmutig auf einem Sessel nieder.
    »Ja, gern«, sagte ich reflexartig. Ich bemerkte, dass meine Hand törichterweise immer noch mitten in der Luft hing, und ließ sie sinken.
    Sie lud mich mit einer Handbewegung ein, auf einem Sessel ihr gegenüber Platz zu nehmen, und das tat ich.
    »Pass auf.« Sie nahm ein silbernes Glöckchen von einem Tisch und klingelte damit. Dann hob sie eine Hand, alle fünf Finger ausgestreckt. Sie zog den Daumen ein, dann den Zeigefinger und zählte so weiter rückwärts.
    Bevor sie beim kleinen Finger angelangt war, klopfte es an der Tür.
    »Herein!«, rief Denna, und der fein gekleidete Portier öffnete die Tür. »Ich hätte gern eine Trinkschokolade«, sagte sie. »Und Kvothe …« Sie sah mich fragend an.
    »Trinkschokolade klingt wunderbar«, sagte ich.
    Der Portier nickte und schloss die Tür wieder hinter sich.
    »Manchmal mache ich das nur, damit er angelaufen kommt«, gestand Denna leicht verlegen und betrachtete das Glöckchen. »Ich verstehe nicht, wie er das hören kann. Eine Zeit lang war ich überzeugt, er stünde immer auf dem Flur, mit dem Ohr an meiner Tür.«
    »Darf ich mal sehen?«
    Sie gab mir das Glöckchen. Es wirkte auf den ersten Blick ganz normal, doch als ich es umdrehte, entdeckte ich auf der Innenseite winzige Sygaldrie.
    »Nein, er lauscht nicht«, sagte ich und gab ihr das Glöckchen zurück. »Er hat unten eine zweite Klingel, die losgeht, wenn du die hier betätigst.«
    »Wie das?«, fragte sie und beantwortete es dann selbst: »Magie?«
    »Man könnte es so nennen.«
    »Sind das die Dinge, die du da

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