Die Furcht des Weisen / Band 1
die schwere Holztür am oberen Treppenabsatz und wartete. Kein Geldverleiher der Gilde hätte mir auch nur einen müden Penny anvertraut, aber es gibt ja immer noch andere Leute, die willens sind, Geld zu verleihen. Man nennt sie Gaelets. Es sind gefährliche Menschen, und wer klug ist, macht einen großen Bogen um sie.
Die Tür öffnete sich erst einen Spalt breit und dann zur Gänze, und vor mir stand eine junge Frau mit koboldhaftem Gesicht und rotblondem Haar. »Kvothe!«, rief Devi aus. »Ich hatte schon befürchtet, dass ich dich dieses Trimester gar nicht zu Gesicht bekomme!«
Ich trat ein, und Devi verriegelte die Tür hinter mir. In dem großen, fensterlosen Raum duftete es nach Cinnasfrucht und Honig, was nach dem Gestank auf der Gasse eine willkommene Abwechslung war.
Eine Seite des Raums wurde von einem großen Himmelbett beherrscht, dessen dunkle Vorhänge zugezogen waren. Auf der anderen Seite befand sich ein Kamin, ein großer Schreibtisch und ein zu drei Vierteln gefülltes Bücherregal. Ich schlenderte hinüber, um einen Blick auf die Titel zu werfen.
»Hast du diese Malcaf-Ausgabe neu?«, fragte ich.
»Ja«, sagte sie und gesellte sich zu mir. »Ein junger Alchemist, der seine Schulden nicht begleichen konnte, hat mich dafür einiges aus seiner Bibliothek aussuchen lassen.« Devi zog den Band vorsichtig hervor und zeigte mir den vorderen Einbanddeckel, auf dem mit Blattgold der Titel aufgeprägt war:
Vision und Revision
. Sie sah mich mit verschmitztem Lächeln an. »Hast du das schon gelesen?«
»Nein«, sagte ich. Ich hatte es für die Zulassungsprüfung durcharbeiten wollen, hatte im Bibliotheksmagazin aber kein Exemplar davon gefunden. »Ich habe nur davon gehört.«
|147| Devi sah mich einen Moment lang nachdenklich an und drückte mir das Buch dann in die Hände. »Wenn du es durch hast, kommst du wieder, und wir sprechen darüber. Mir mangelt es in letzter Zeit leider sehr an interessanten Gesprächspartnern. Wenn sich eine gute Diskussion darüber ergibt, leihe ich dir vielleicht wieder öfter mal was.«
Als ich das Buch in Händen hielt, tippte sie vorsichtig mit einem Finger auf den Einband. »Dieses Buch ist mehr wert als du«, sagte sie ganz und gar nicht neckisch. »Wenn du es beschädigt wiederbringst, musst du dafür gradestehen.«
»Ich passe gut darauf auf«, sagte ich.
Devi nickte und ging an ihren Schreibtisch. »Also dann zum Geschäftlichen.« Sie nahm Platz. »Du kommst aber auf den letzten Drücker, nicht wahr?«, fragte sie. »Die Studiengebühren müssen doch bis morgen Mittag bezahlt sein.«
»Ich führe ein gefährliches und aufregendes Leben«, sagte ich und nahm vor ihrem Schreibtisch Platz. »Und so sehr ich mich auch immer freue, dich zu sehen, hatte ich doch gehofft, deine Dienste dieses Trimester nicht in Anspruch nehmen zu müssen.«
»Wie schmecken dir denn die Studiengebühren jetzt als Re’lar?«, fragte sie mit wissender Miene. »Wie hart haben sie dich rangenommen?«
»Das ist eine ziemlich persönliche Frage«, sagte ich.
Devi sah mich offenherzig an. »Und wir sind dabei, eine ziemlich persönliche Vereinbarung zu treffen«, erwiderte sie. »Von daher habe ich nicht das Gefühl, dass ich dir zu nahe trete.«
»Neuneinhalb«, antwortete ich.
Sie schnaubte. »Und ich dachte, du wärst so ein kleines Genie. Von mir haben sie nie mehr als sieben verlangt, als ich noch Re’lar war.«
»Du hattest auch Zugang zur Bibliothek«, bemerkte ich.
»Mir standen ganze Wissensschätze offen«, erwiderte sie sachlich. »Und außerdem bin ich zuckersüß.« Sie lächelte, was die Grübchen in ihren Wangen zur Geltung brachte.
»Absolut hinreißend«, gestand ich. »Kein Mann könnte dir widerstehen.«
|148| »Und auch manche Frau hätte da Schwierigkeiten«, sagte sie. Ihr Lächeln, das eben noch verschmitzt gewesen war, war nun eindeutig lüstern.
Da ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wie ich darauf reagieren sollte, leitete ich das Gespräch in sichereres Fahrwasser. »Ich fürchte, ich muss mir vier Talente leihen«, sagte ich.
»Ah«, sagte Devi und faltete mit einem Mal ganz geschäftsmäßig die Hände auf dem Tisch. »Und ich fürchte, ich habe kürzlich einige Änderungen an meinen Geschäftsbedingungen vorgenommen«, sagte sie. »Gegenwärtig vergebe ich nur Darlehen ab einem Mindestbetrag von sechs Talenten.«
Ich versuchte gar nicht erst, meine Bestürzung zu verbergen. »Sechs Talente? Devi, diese zusätzlichen Schulden werden mir wie
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