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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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ein Mühlstein am Halse hängen.«
    Sie gab einen Seufzer von sich, der wenigstens ansatzweise bedauernd klang. »Wenn ich ein Darlehen vergebe, gehe ich damit gewisse Risiken ein. Ich riskiere, die investierte Summe zu verlieren, wenn mein Schuldner stirbt oder sich aus dem Staub zu machen versucht. Ich riskiere, dass man versucht, mich anzuzeigen. Ich riskiere, nach dem Eisernen Gesetz oder schlimmer noch von der Gilde der Geldverleiher vor Gericht gestellt zu werden.«
    »Aber du weißt doch, dass ich so was nie machen würde, Devi.«
    »Dennoch bleibt die Tatsache bestehen«, fuhr sie fort, »dass ich das gleiche Risiko eingehe, ganz egal, ob der Darlehensbetrag nun groß oder klein ist. Und wieso sollte ich mir das für ein kleines Darlehen antun?«
    »Klein?«, entgegnete ich. »Von vier Talenten könnte ich ein ganzes Jahr lang leben!«
    Sie pochte mit einem Finger auf den Tisch und verzog den Mund. »Sicherheiten?«
    »Das Übliche«, sagte ich und schenkte ihr mein schönstes Lächeln. »Mein unermesslicher Charme.«
    Devi schnaubte undamenhaft. »Für unermesslichen Charme und drei Tropfen Blut kann ich dir sechs Talente leihen, zu den üblichen Konditionen: Fünfzig Prozent Zinsen bei einer Laufzeit von zwei Monaten.«
    |149| »Devi«, sagte ich in einschmeichelndem Ton. »Was soll ich denn mit dem zusätzlichen Geld anfangen?«
    »Gib ein Fest«, schlug sie vor. »Oder verbring einen ganzen Tag im Puff. Oder setz es beim Faro.«
    »Faro«, sagte ich, »ist weiter nichts als eine Steuer für Leute, die keine Wahrscheinlichkeiten berechnen können.«
    »Dann sei die Bank und kassiere du die Steuern«, sagte sie. »Kauf dir was Schönes zum Anziehen und trage es, wenn du mich das nächste Mal besuchen kommst.« Sie musterte mich. »Vielleicht bin ich dann bereit, dir eine Extrawurst zu braten.«
    »Wie wär’s mit sechs Talenten für einen Monat, zu fünfundzwanzig Prozent?«, fragte ich.
    Devi schüttelte den Kopf. »Kvothe, ich respektiere den Impuls zu feilschen, aber du hast mir einfach nichts anzubieten. Du bist hier, weil du in der Klemme steckst. Ich bin hier, um aus dieser Situation Kapital zu schlagen.« Sie breitete in einer Geste der Hilflosigkeit die Hände. »Damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt. Dass du ein hübsches Gesicht hast, spielt dabei keine Rolle. Umgekehrt: Wenn du von irgendeinem Geldverleiher der Gilde mehr bekommen würdest als nur einen feuchten Händedruck, würde ich nicht von dir erwarten, dass du zu mir kommst, einfach nur, weil ich so hübsch bin und dir die Farbe meines Haars so gut gefällt.«
    »Es ist eine wunderschöne Farbe«, sagte ich. »Wir Rotschöpfe sollten zusammenhalten.«
    »Ja, das sollten wir«, erwiderte sie. »Und zwar zu fünfzig Prozent Zinsen über zwei Monate Laufzeit.«
    »Also gut«, sagte ich und sackte auf meinem Stuhl zusammen. »Du hast gewonnen.«
    Devi ließ ein liebreizendes Lächeln aufscheinen, das wieder ihre Grübchen zur Geltung brachte. »Gewinnen könnte ich nur, wenn wir vorher überhaupt gespielt hätten.« Sie öffnete eine Schreibtischschublade und holte ein kleines Fläschchen und eine lange Nadel daraus hervor. Doch statt sie mir über den Tisch zu schieben, hielt sie mit einem Mal nachdenklich inne. »Mir fällt da noch eine andere Möglichkeit ein.«
    »Ich bin ein großer Freund anderer Möglichkeiten«, sagte ich.
    |150| »Als wir das letzte Mal miteinander sprachen«, sagte Devi, »hast du angedeutet, dass du möglicherweise einen geheimen Zugang zur Bibliothek kennst.«
    Ich zögerte. »Ja, das habe ich angedeutet.«
    »Diese Information wäre mir Einiges wert«, sagte sie betont beiläufig. Obwohl sie sich Mühe gab, es zu verbergen, sah ich die nackte Gier in ihren Augen.
    Ich blickte auf meine Hände hinab und erwiderte nichts darauf.
    «Ich würde dir jetzt auf der Stelle zehn Talente dafür zahlen«, sagte Devi. »Nicht als Darlehen. Ich würde diese Information von dir erwerben. Und falls sie mich im Magazin ertappen würden, hätte ich sie keinesfalls von dir.«
    Ich dachte daran, was ich mit zehn Talenten alles machen konnte. Neue Kleider. Ein neuer Lautenkasten. Papier. Handschuhe für den nahen Winter.
    Ich seufzte und schüttelte den Kopf.
    »Zwanzig Talente«, sagte Devi. »Und den Zinssatz der Gilde für sämtliche künftige Darlehen.«
    Mit zwanzig Talenten hätte ich mir ein halbes Jahr lang keine Sorgen mehr in puncto Studiengebühren machen müssen. Ich hätte im Handwerkszentrum meine eigenen Projekte

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