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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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einfallen zu lassen, aber es gelang mir nicht. Ich hatte den Kopf immer noch voll mit Märchengeschichten und meinen zu nichts führenden Recherchen über die Chandrian.
    »Siehst du«, sagte Elodin zu Brean. »Da kommt nichts.«
    »Ich verstehe einfach nicht, warum Ihr unsere Zeit mit so etwas vergeudet«, schnauzte ich los.
    »Hättest du denn etwas Besseres zu tun?«, fragte Elodin.
    »Allerdings! Ich habe unzählige wichtigere Dinge zu tun! Wie zum Beispiel etwas über den Namen des Windes zu lernen!«
    Elodin hob einen Finger und versuchte, die Pose eines Weisen einzunehmen, was ihm aber aufgrund des Laubs in seinem Haar nicht recht gelang. »Kleine Tatsachen führen zu großem Wissen«, intonierte er. »Ebenso wie kleine Namen zu großen Namen führen.«
    Er klatschte in die Hände und rieb sie dann eifrig. »Also gut! Fela! Öffne deinen Preis, damit wir Kvothe die Lektion erteilen können, nach der er sich so sehnt.«
    Fela zerbrach die trockene Hülle der Samenkapsel. Die weißen, flaumigen Flugsamen ergossen sich über ihre Hände.
    Der Meister der Namenskunde forderte Fela mit einer Handbewegung auf, es in die Luft zu werfen. Fela tat es, und wir alle sahen zu, wie der weiße, flaumige Haufen zur Saaldecke hinaufflog und dann wieder zu Boden fiel.
    »Verdammt«, sagte Elodin. Er ging steifbeinig zu dem Samenklumpen, hob ihn auf und fuchtelte damit herum, bis die ganze Luft von schwebenden weißen Flugsamen erfüllt war.
    Dann fing Elodin an, diesen Samen durch den ganzen Saal hinterherzujagen, versuchte sie mit den Händen aus der Luft zu haschen. Er stieg dabei über Stühle, lief quer über das Podium und sprang schließlich auf den Tisch vorn im Saal.
    Und die ganze Zeit haschte er nach den Samen. Erst nur mit einer Hand, wie man einen kleinen Ball fängt. Als es ihm auf diese Weise nicht gelang, ging er dazu über, nach ihnen zu klatschen, als wären |194| es Mücken. Als das auch nicht funktionierte, versuchte er sie zwischen den hohlen Händen zu fangen, wie man das als Kind mit Glühwürmchen macht.
    Doch er schaffte es einfach nicht. Je länger er den Samen nachjagte, desto hektischer wurde er, desto schneller lief er umher, desto wilder griff er danach. Das ging eine Minute lang so weiter. Zwei Minuten. Fünf Minuten. Zehn.
    Es wäre wohl das ganze restliche Seminar so weitergegangen, wäre er nicht schließlich über einen Stuhl gestolpert. Er fiel auf den Steinboden, riss sich ein Hosenbein auf und schlug sich das Knie blutig.
    Sein Bein haltend, saß er auf dem Boden und ließ eine so unflätige Schimpfkanonade los, wie ich das in meinem ganzen Leben noch nicht gehört hatte. Er brüllte und knurrte und spie. Er fluchte in mindestens acht Sprachen, und selbst wenn ich die Worte, die er gebrauchte, nicht verstand, zog sich mir allein schon bei ihrem Klang der Magen zusammen und stellten sich mir die Unterarmhärchen auf. Er äußerte Dinge, bei denen mir der Schweiß ausbrach. Er äußerte Dinge, bei denen mir speiübel wurde. Er äußerte Dinge, von denen ich gar nicht wusste, dass man so etwas überhaupt äußern konnte.
    Das wäre wahrscheinlich noch eine Weile so weitergegangen, doch als er einmal wütend Luft holte, sog er einen der umherschwebenden Samen in seinen Mund ein und begann heftig zu würgen und zu husten.
    Schließlich spie er den Samen wieder aus, bekam wieder Luft, erhob sich mühsam und humpelte aus dem Hörsaal, ohne noch ein weiteres Wort gesagt zu sagen.
    Das war kein sonderlich ungewöhnlicher Tag in Meister Elodins Seminar.

    Nach Elodins Seminar aß ich im ANKER’S eine Kleinigkeit zum Mittag und trat dann meine Schicht in der Mediho an, wo ich den erfahreneren El’the dabei zusah, wie sie bei neu eingetroffenen Patienten |195| Diagnosen stellten und sie behandelten. Anschließend ging ich auf die andere Seite des Flusses, in der Hoffnung, Denna zu finden. Es war mein dritter Gang dorthin in ebenso vielen Tagen, aber es war frisches, sonniges Wetter, und nachdem ich so viel Zeit in der Bibliothek verbracht hatte, verspürte ich das Bedürfnis, mir ein bisschen die Beine zu vertreten.
    Zuerst schaute ich im EOLIAN vorbei, obwohl es viel zu früh war, als dass Denna dort sein konnte. Ich plauderte mit Stanchion und Deoch und ging anschließend weiter zu einigen anderen Wirtshäusern, von denen ich wusste, dass sie sie gelegentlich frequentierte: im ZAPFHAHN, im FASS & BALLEN und im HUND IN DER WAND. Doch auch dort traf ich sie nicht an.
    Dann schlenderte ich durch

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